Am Gründonnerstag des Jahres 1236, der damals auf den 7. April fiel, starb neunzigjährig, zu Hoven bei Zülpich, ein Mönch, der um das Jahr 1150 zu Köln am Rhein, Stephanstraße 4, als Sohn verarmter Eltern das Licht der Welt erblickt hatte. Hermann Josef hieß der Mönch, der heilige Hermann Josef, dessen Leben ein Marienlob war, so zart und duftig, dass es heute noch nach achthundert Jahren die Herzen vor Freude höher schlagen lässt.
Weil Hermann Josef ein Rheinländer war und dazu auch noch aus Köln stammte, kannte er keine Kopfhängerei. Frohgemut und gut gelaunt nahm er an den Spielen der Altersgenossen teil, in den Straßen der Stadt und am Ufer des Rheins. Er war zu sehr ein kölnischer Junge, als dass er ein Spielverderber hätte sein können.
Hermann Josef war indessen nicht nur ein allzeit froher, sondern nicht minder auch ein frommer Junge. Sooft ihn der Weg an der Pfarrkirche vorüberführte, sprang er für einen Augenblick hinein, und nachdem er zunächst vor dem Allerheiligsten eine schöne Kniebeugung gemacht hatte, ging er zum Marienaltar, legte ein paar Blumen darauf, kniete sich hin und betete und erzählte der lieben Mutter Gottes mit rheinischer Lebhaftigkeit im kölnischen Platt dies und das, was er auf dem Herzen hatte. Allzu gerne hätte Hermann Josef es gesehen, wenn ihm Maria oder das Jesuskind, das die Gebenedeite auf den Armen trug, auch einmal geantwortet hätten, aber das steinerne Bild blieb stumm, bis es schließlich eines Tages doch lebendig wurde, und das kam so:
Vom heiligen Nikolaus hatte Hermann Josef einen dicken rotwangigen Apfel erhalten, ein wahres Prachtstück, frisch und duftig noch. In seiner liebwerten Bescheidenheit, die ihm so trefflich stand, kam ihm nicht einmal der leiseste Gedanke, den Apfel selbst zu essen, vielmehr schien er ihm gerade dafür gut genug, dass er ihn seinem besten Freund schenkte.
Hermann Josef hatte viele Freunde. Wer unter ihnen war aber wohl sein bester? Der Tünnes oder der Pitter oder der Schääl oder der Bäätes oder der Schäng oder der Drickes? Die alle gehörten zu seinen Freunden, aber der allerbeste Freund, der ihm weit mehr galt als die anderen insgesamt, war doch ohne jeden Zweifel das Jesuskind.
Hermann Josef ging also damals am Nikolaustag zur Pfarrkirche, begrüßte, wie gewöhnlich, zunächst die Mutter Gottes mit einem Ave, nahm dann aus der Rocktasche das Angebinde, stellte sich auf die Zehen und reichte mit weitausgestrecktem Arm den Apfel hoch. „Da...“, sagte er dabei, und im gleichen Augenblick geschah das Wunder, von dem die Legende berichtet, denn auf einmal kam Leben in den toten Stein. Maria beugte sich vor, nahm den Apfel und reichte ihn dem Jesusjungen auf dem Schoß hin, der das Geschenk lächelnd ans Herz drückte.
Selten wohl ist ein Kind so glücklich gewesen wie damals der Junge aus der Stephanstraße zu Köln am Rhein, er zitterte am ganzen Leib vor seliger Freude, und das war erst der Anfang, denn in der Folgezeit wurde Hermann Josef noch oft des vertrauten Umgangs mit dem Heiland und der Mutter Gottes gewürdigt, er durfte unter Mariens Augen mit dem Jesuskind spielen, und bis an das Lebensende war er, der spätere Mönch im Eifelkloster Steinfeld wurde, mit beseligenden Visionen der Gottesmutter begnadet. Sein Leben war in der Tat wie ein duftiger Marienpreis.
Hermann Josef wurde in Steinfeld bestattet. Schon kurz nach seinem Tod wurde er in der Eifel von der Bevölkerung verehrt. Er gilt entsprechend der Legende vom den Apfel entgegen nehmenden Jesuskind als „Apfelheiliger”: immer wieder legen Pilger frische Äpfel auf sein Grab. Im Barock nahm seine Verehrung starken Aufschwung; seit 1701 steht sein Sarkophag in der Basilika des Klosters Steinfeld. Reliquien wurden weit verbreitet. Einen Höhepunkt erlebte sein Kult in der Romantik, wo er zum „Kinderheiligen” wurde. Die Heiligsprechung wurde bereits 1626 eingeleitet, erfolgte aber erst 1960.