Der Wohlgeruch im Leben der Heiligen

 

Außerordentlich häufig sind die Legenden, nach denen Heilige durch wunderbare Lichterscheinungen oder Wohlgerüche zeitweise verherrlicht wurden.

 

Schon der Leidensgenosse der heiligen Perpetua, der Märtyrer Saturus, empfand in seiner von ihm selbst aufgezeichneten Kerkervision unbeschreiblichen Paradiesesduft. Von den Gefangenen in Lyon unter Marc Aurel im Verfolgungsjahr 177 erzählt der Irenäusbericht bei Eusebius, sie haben in der Leidensbegeisterung den "Wohlgeruch Christi" geatmet, so dass einige meinten, sie seien mit irdischer Salbe gesalbt. 

 

Bei einigen Heiligen zeigte sich dieser Wohlgeruch, wenn sie am Altar die heiligen Geheimnisse feierten. Das war z.B. vom seligen Venturino von Bergamo so bekannt, dass viele sich die Stunde merkten, wo er seine Messe las, und sich nun dem Altar so nahe als möglich stellten, um sich den Genuss zu verschaffen. Beim heiligen Dominikus ging zu dieser Zeit der Duft von der Hand aus, und wurde von denen bemerkt, die dann kamen, um sie zu küssen. Beim heiligen Franziskus von Paula war der Wohlgeruch am deutlichsten, wenn er seine drei, acht- oder vierzigtägigen Fasten, begleitet mit Wachen und wiederholter Disziplin beendete. Auch beim heiligen Ludwig Bertrand machte sich der Wohlgeruch besonders während seiner heiligen Messe bemerkbar.

 

Dem Mund und den Gewändern der heiligen Theresia von Avila entströmte bisweilen, wenn sie die Kommunion empfing, herrlicher Wohlgeruch, wie Pater Vepes und andere bezeugten. Als der genannte Pater es bemerkte, war er, wie er selbst erzählte, in dem Glauben, es handle sich um ein Parfüm, empört, dass ein so heiliges und bußfertiges Wesen sich mit solchen Dingen befasst und holte Erkundigungen ein. Da teilte ihm die Begleiterin der Heiligen mit, dass sich die Heilige nicht nur keiner Düfte bediene, sondern sich sogar vor ihnen flüchte, weil jeder Wohlgeruch ihr unerträgliche Kopfschmerzen verursache. 

 

Auch im Seligsprechungsprozess der seligen Kreszentia von Kaufbeuren ist bezeugt, dass die Selige oft nach der heiligen Kommunion einen himmlischen Wohlgeruch um sich verbreitete.

 

Über den im Jahr 1896 verstorbenen heiligmäßigen Pater Paul von Moll schreibt ein früheres Beichtkind von ihm:

 

"Ich kniete an die Kommunionbank nieder, während Pater Paul Vorbereitungen traf, mir den Leib des Herrn zu reichen. Auf einmal nahm ich einen so köstlichen Wohlgeruch wahr, dass ich davon ganz zerstreut wurde. Ich dachte, ein Ordensbruder müsse mittlerweile mit einem Blumenstrauß in die Kirche gekommen sein. Als ich die Augen aufhob, sah ich zu meinem Erstaunen Pater Paul vor mir in einer Verzückung. Er hielt die heilige Hostie und schwebte über dem Boden. Ich kann nicht genau sagen, wie lange er in dieser Haltung blieb; es scheint mir aber fünf Minuten gedauert zu haben. Unmöglich ist es mir auch zu beschreiben, wie angenehm das Gesicht und die Stellung des Mönches anzuschauen waren, während die Luft vom feinsten Rosen- und Blumenduft erfüllt war." 

 

Bei der heiligen Veronika Juliana verbreiteten die Wundmale des Herrn, die sie an Händen und Füßen trug, den lieblichsten Geruch. - Veronika lebte mit diesen Wunden beinahe dreißig Jahre und verrichtete mit durchbohrten Händen und Füßen mit bewunderungswürdiger Fertigkeit alle Geschäfte und Dienste. - Diese Wundmale wurden, anstatt zu heilen, größer.

 

Nicht bloß im Zustand der Gesundheit entwickelte sich ein solcher Wohlgeruch, sondern auch im krankhaften und zwar selbst in solchen Krankheiten, die sonst entgegengesetzte Wirkung haben. 

 

Der Tertiarier Bartholus, der um das Jahr 1300 lebte, wurde in seinem 53. Jahr vom Aussatz befallen, der bald seinen ganzen Leib ergriff, so dass das Fleisch sich loslöste und faulte. So lag er zwanzig Jahre lang auf dem Schmerzenslager, kein Wort der Ungeduld kam all diese Zeit hindurch aus seinem Mund, er dankte vielmehr Gott. Unzählige aus der ganzen Umgebung seines Wohnortes von Valaterra in Florenz gingen zu ihm, um seine Geduld anzustaunen, sie saßen ohne Ekel neben ihm und aßen mit ihm an einem Tisch, denn man merkte nicht den mindesten Gestank, der sonst bei solchen Krankheiten üblich ist, sondern vielmehr den lieblichsten Wohlgeruch, worin alle ein überaus großes und anhaltendes Wunder erkannten.

 

Der heilige Johannes vom Kreuz lag mit Wunden überdeckt in seinem Kloster am Krankenlager, ohne andere Gefühle zu hegen als diejenigen der vollkommensten Demut und des innigsten Dankes gegenüber Gott. Da fügte es der Herr, dass der Eiter seiner Wunden, statt Ekel zu erregen, einen seltenen Wohlgeruch verbreitete.

 

Dieser Wohlgeruch der Heiligen haftete mitunter an allen Gegenständen, die die Heiligen berührt hatten, lange Zeit, oft Jahre hindurch. Als nach dem Tod der heiligen Theresia von Jesus die Schwester Maria unter allerlei Geräten diesen Geruch bemerkte und nachsuchte, fand sie ein Blatt Papier, beschrieben von der Hand der Heiligen, von dem der Geruch ausging. Auch ein Salzfass, das man der heiligen Theresia zu ihrem Krankenbett gebracht und an dem sie die Spuren der Finger zurückgelassen hatte, behielt ihn lange.

 

Besonders aber war durch diese Eigenschaft der heilige Josef von Cupertino vor vielen anderen ausgezeichnet, und der Prozess seiner Seligsprechung hat darüber die unverwerflichsten Zeugnisse aufgestellt. Pater Franziskus Maria de Angelis sagte darüber aus: Von seinem Körper und aus seinen Kleidern habe der süßeste Geruch geduftet, den der Zeuge keinem anderen natürlichen oder künstlichen zu vergleichen wusste, außer denn jenem der von dem Behälter ausgegangen ist, der die Reste des heiligen Antonius von Padua einschloss: eine Übereinstimmung, die zugleich mit ihm auch Pater Andreas Birzius bemerkte. 

 

Der Wohlgeruch machte jedem sich bemerkbar, an dem er vorüberging; und blieb noch lange zurück, wenn er auch fern war. Sein Zimmer war daher mit ihm angefüllt, er haftete an allem Gerät, und drang über dasselbe hinaus in die Gänge des Klosters vor; so dass die, die, ohne seine Zelle zu wissen, ihn besuchen wollten, nur dem Geruch nachgingen, und sie dann leicht unter den anderen erkannten. So durchdringend war dieser Ausfluss, dass er sich dem, der ihn berührte, auf lange mitteilte; ja beim bloßen Besuch der Zelle ging er auf den Besuchenden über: so dass Pater Fr. Levanto einst, nur mit ihm redend, in seiner Zelle bei ihm gesessen, der auf ihn übertragene Geruch fünfzehn Tage hindurch nicht von ihm gewichen war, ob er gleich täglich sich gewaschen hatte. Die Zelle blieb auch immerfort wohlriechend, selbst als er sie durch zwölf oder dreizehn Jahren nicht mehr betreten hatte. Der Geruch hing den Kleidern, die er getragen hat, so fest an, dass er, wie oft sie mit Lauge und Seife gewaschen wurden, doch nicht von ihnen wich. 

 

Die Schwester der ehrwürdigen Rosa Carafa bezeugte eidlich im Seligsprechungsprozess den Wohlgeruch, der aus den Kleidern der Dahingeschiedenen fünf Monate hindurch entströmte nach dem Tod der Dienerin Gottes. Er erschien ihr wunderbar. Er kam von Kleidern, die auf der Leiche gelegen hatten. Da sie eine Täuschung befürchtete, öffnete sie den Kleiderschrank, den sie vorher nicht untersucht hatte vor verschiedenen anderen angesehenen, im Prozess genau genannten Personen, und alle bekannten sofort, einen sehr angenehmen Duft zu verspüren. 

 

Mitunter trat der Wohlgeruch erst im Augenblick des Todes der Heiligen ein und verblieb dann lange in den Wohnungen oder an den Kleidern haften.

 

In dem Augenblick, da der Stifter der Barmherzigen Brüder, der heilige Johannes von Gott, starb (8. März 1550), drang lieblicher Geruch aus seinem Zimmer. Dieser Geruch, der sofort als ein Beweis seiner Heiligkeit betrachtet wurde, ist erst im Augenblick seines Todes entstanden. Er hat während der neun ersten Tage gedauert, die auf den Tod folgten, und hat sich dann alle Samstage von der Stunde an, in der er gestorben war, erneuert. Dona Ossorio und ihre Familie, in deren Haus er starb, machten kein großes Aufsehen von diesem Wunder, weil sie es als eine himmlische Auszeichnung betrachteten, dessen sich zu rühmen sie nicht für angemessen hielten. Die Frau beeilte sich, dieses Zimmer in ein Oratorium zu verwandeln, das sie, man kann es glauben, gewiss sehr verehrte und besuchte.

 

Unter den Zeugen, die eidlich behaupteten, Kenntnis von diesem Geruch gehabt und seine Lieblichkeit gerochen zu haben, führt Gouvea eine Frau, namens Ursula Romanos, an. Diese Frau erklärte, dass sie an einem Samstag morgens, als sie zufällig an den Eingang des Oratoriums gekommen war, während Dona Maria Ossorio nach dem Beispiel ihrer Mutter darin betete, von dem Wohlgeruch entzückt war, der sich von ihm aus bis nach außen verbreitete. Sie wartete daher, bis Dona Maria ihr Gebet vollendet hatte, und sobald sie sie herausgehen sah, fragte sie sie, was sich wohl darin befände, das so gut rieche. Dona Maria antwortete ihr: "Weihen auch Sie sich, Dona Ursula, den Werken der christlichen Liebe, dann wird auch von Ihnen ein solcher Geruch übrig bleiben. Wissen Sie denn nicht, dass dieses Oratorium eben das Zimmer ist, worin ein von meiner Mutter verehrter Heiliger starb, worin Johann von Gott starb, und dass dies die einzige Ursache ist, der unser Haus es verdankt, dass es so durchduftet ist? Seit nun mehr als fünfzig Jahren währt dies Wunder fort, und besonders an dem Tag, an dem der Heilige starb, d.h. am Samstag, macht es sich offenbar."

 

Obwohl sie durchaus nicht an dem zweifelte, was ihr nun gesagt worden war, wollte sich Dona Ursula noch selber davon überzeugen. Bevor sie aber zum Versuch schritt, bereitete sie sich mit frommer Sorgfalt darauf vor. Sie kommunizierte daher am Donnerstag, fastete am folgenden Tag, und ging dann am Samstag früh morgens in das Oratorium. Kaum hatte sie das Vaterunser darin zu beten begonnen, so offenbarte sich ihren Sinnen der fragliche Geruch. Sie ließ sich Zeit zum Genuss und erst nachdem sie große geistliche Tröstungen dabei gekostet und viel gebetet hatte, dachte sie daran, das Oratorium wieder zu verlassen.

 

Aber dieser liebliche Geruch offenbarte sich nicht bloß in dem Zimmer, das Johann von Gott eingenommen hatte, er kam auch aus den Gegenständen, von denen er Gebrauch gemacht hatte, z.B. aus seinem Totenbett und aus seinen Kleidern.

 

Zwanzig Jahre nach dem Tod des Heiligen wurde der Erzbischof von Granada zu verschiedenen Malen in Kenntnis gesetzt, dass man in der Totenkapelle der Pisas, in der der Heilige beigesetzt worden war, eine außerordentliche Helle scheinen sehe. Um die fromme Neugierde der Gläubigen zu befriedigen, nahm der Prälat eine Untersuchung vor. In Gegenwart einer beträchtlichen Anzahl von Zeugen ließ er den Stein der Gruft heben. Kaum war das Grab geöffnet, so drang ein entzückender Geruch daraus hervor und verbreitete sich bald in der ganzen Kirche. Die Anwesenden waren über die Maßen erstaunt. Unter den Neugierigen, denen es gelungen war, an den heiligen Ort zu treten, befand sich ein armer und an einem Arm gelähmter Mann. Dieser Unglückliche wollte durchaus in die Nähe des Grabes kommen, und sobald er durch tausend Anstrengungen und ungeachtet aller Zurückweisungen dahin gelangt war, verschwand augenblicklich die Lähmung seines Armes. Der Erzbischof nahm ihn von diesem Tag an unter seinen Schutz und sorgte für alle seine Bedürfnisse.

 

Achtzehn Jahre später starb eine Frau aus der Familie der Pisas, und der Stein des Grabes wurde von neuem entsiegelt und für diese Beerdigung gehoben. Der wunderbare Geruch aber, der sofort aus der Gruft kam, erfüllte die Totengräber mit einer solchen Ehrfurcht, dass sich keiner hinabzugehen getraute. Von diesem besonderen Umstand in Kenntnis gesetzt, verbot der Erzbischof, der zu der Zeit von dem Stuhl in Granada Besitz genommen hatte und Peter Castro de Quinones hieß, ausdrücklich, dass künftig noch irgend wer in dieser Gruft begraben werde. 

 

Über den Wohlgeruch der entseelten Leiber der Heiligen ließe sich ein dickes Buch schreiben. Hier noch zwei weitere Beispiele:

 

Als der Leib des in Rom dahingeschiedenen seligen Kaspar del Buffalo nach Albano übertragen worden war, ließ man auf allgemeinen Wunsch der von ihm gegründeten Ordensgesellschaft, das Antlitz ihres seligen Vaters und Gründers nochmals zu sehen, den Sarg öffnen. Aber wie groß war das Erstaunen, als aus dem Leib ein überaus lieblicher Geruch entströmte.

 

Da die Leiche des heiligen Laurentius Justinianis, des Patriarchen von Venedig, der daselbst 15 Klöster und eine große Anzahl Kirchen stiftete, selbst am fünften und sechsten Tag wohlerhalten blieb und keinen unangenehmen Geruch verbreitete, kamen die Neugierigen, um zu untersuchen, ob künstliche Mittel dies bewirkten. Am achten Tag wurde er öffentlich in der Kirche ausgesetzt. Im ganzen blieb er 67 Tage, stets von vielen Menschen beobachtet und bewacht, unverwest und unversehrt, bis er schließlich am 16. April bestattet wurde. Viele kamen, um das Merkwürdige zu schauen, aus Italien, Illyrien und selbst Griechenland. Die Ärzte, besonders der berühmte Gerard von Verona, der den Heiligen in der letzten Krankheit behandelt hatte, erklärten die Tatsache nicht als natürlich.