Das hinterindische Kaiserreich Anam, an der Ostküste Asiens gelegen, in dem das Christentum seit 1614 festere Wurzeln zu schlagen begonnen hatte, kann sich fast, was Dauer und Grausamkeit der Verfolgung der heiligen Religion anlangt, dem alten römischen Reich an die Seite stellen. Die Erlasse aus der fünften Verfolgung (1847-1883) unter Kaiser Tu-Duk und ihre Ausübung stehen hinter den Grausamkeiten eines Decius oder Diokletian nicht zurück. So bestimmen die Gesetze von 1851: „Die europäischen Priester werfe man in die Tiefe des Meeres oder der Flüsse zur Ehre der wahren Religion. Die Anamitischen Priester, mögen sie das Kreuz mit Füßen treten oder nicht, sollen mitten entzwei gehauen werden, auf dass jedermann erkenne, wie streng das Gesetz sei.“
Das erste Opfer dieses Erlasses gegen die Christen war Augustin Schöffler, nach Name und Herkunft ein Deutscher, der sozusagen erst in der elften Stunde berufen worden war. Was er doch erst kurze Zeit in Anam.
Mittelbronn in Deutsch-Lothringen, Kreis Saarburg, ehemals zur Diözese Nancy gehörig, ist die Heimat des Heiligen. Nach Abschluss seiner Studien in Nancy trat Augustin im Jahr 1846, ungeachtet des Widerstandes seiner Eltern, in die Genossenschaft der auswärtigen Missionen ein und trug auch bald seinen Oberen die Bitte vor, nach Tongking, dem nördlichen anamitischen Königreich, gesandt zu werden. Dass dort eben die Träger des Namens Christi verfemt und zum Tode gesucht wurden, das scheint für den gottliebenden Priester gerade den Wunsch rege gemacht zu haben, auf diesem gefährdeten Punkt des göttlichen Weinberges sich opfern zu dürfen. „Welch eine Gnade würde das sein“, schrieb er einmal, „wenn auch mich das Schwert der Verfolgung treffen würde!“ „Bisher hatte ich es nicht gewagt, um diese Gnade zu bitten, aber jetzt biete ich Jesus täglich mein Blut im heiligen Opfer an als Gegengabe für jenes, das er für uns vergossen hat.“ Am 1. August 1847 reiste Schöffler von Antwerpen aus in die Mission ab. Fünf Monate dauerte die mühevolle Fahrt; sie bedeutete allein schon ein Opfer. Gefährlich war die Landung; doch sie gelang. Nachdem sich der junge Missionar im Gebrauch der anamitischen Sprache zu behelfen gelernt hatte, nahm ihn der Apostolische Vikar, Bischof Retord, auf seinen Reisen in der Provinz Ke-Bang mit sich, um ihn mit der apostolischen Lehr- und Lebensweise bekannt zu machen. „Tag und Nacht predigen wir“, schrieb Schöffler über diese Erstlingserfolge nach Hause, „wir hören Beichte und singen feierliche Ämter bei einem ungeheuren Zulauf von Christen und sogar Heiden. Jesus und Maria haben unsere Bemühungen gesegnet, denn wir haben eine weit reichere Ernte zu verzeichnen als in irgendeinem der vergangenen Jahre.“ Über die selbstständige Arbeit des jungen Missionars und seine Erfolge im Bezirk von Xu-Doai Ende 1849 und 1850 berichtet Bischof Retord mit großer Anerkennung. Dabei hatte Schöffler viel von Krankheit zu leiden, und es fehlte in drei Fällen nur wenig, dass er in den Armen seines Oberhirten gestorben wäre. So reifte der Opferwille des heiligen Märtyrers immer hingebungsvoller heran; nur allzu bald nahm der Herr das Opfer des Lebens entgegen, das sein treuer Diener so oft schon und so freudig angeboten hatte.
Im Jahr 1850 bereits schien sein Los entschieden. Bischof Retord und Schöffler mussten vor den Verfolgern flüchten und drei Tage und Nächte in einer Barke auf dem Roten Fluss zubringen. Sie waren dann nach Ke-Nap geflohen, hier aber entdeckt und umzingelt worden. Nur durch die List der Christen, die sich in größter Sorge und Erregung auf die Verfolger warfen und sie durch Unterhandlung hinhielten, war es gelungen, Bischof und Missionar zu retten. Jetzt aber, am 1. März 1851, sollte wenigstens Augustin seinen Feinden nicht mehr entrinnen. Der Polizeikommissar hatte von dem Aufenthalt eines Europäers in Bau-No und seiner Abreise in die nördlichen Orte Kunde erlangt. Er beschloss seine Gefangennahme und stellte zu dem Zweck Leute auf die Lauer, während er selbst mit anderen in der Umgegend anscheinend eine Hirschjagd hielt. Den Christen waren die Absichten der Heiden wohl bekannt. Sie erlagen aber der Täuschung, insofern sie glaubten, jene würden zur Ausführung ihres Vorhabens die Nachtzeit wählen. Daher wurde beschlossen, Schöffler sollte noch bei Tag abreisen und ihm ein einheimischer Priester mit zwei Zöglingen vorausgehen. Diese wurden von den vermeintlichen Jägern aufgegriffen und, da sie einige zur Spendung der Sakramente nötige Gegenstände mit sich führten, als Freunde des Missionars erkannt und hinter dichtes Gebüsch abgeführt. Schöffler, der von dem Geschehenen nicht in Kenntnis gesetzt werden konnte, ging den ihm auflauernden Häschern in die Schlinge. Seine Begleiter entflohen in vollem Lauf. Ruhig stand er inmitten der Soldaten, die unwillkürlich inne hielten. Als der Anführer Befehl gab, ihn zu peitschen, fragte Augustin gelassen: „Warum denn, ich leiste eurer Gewalt doch keinen Widerstand!“ Er wurde gebunden und zusammen mit den vorher Gefangenen zur Polizei geführt. Der Beamte, dem es um Gewinn zu tun war, forderte einen Gold- und hundert Silberbarren, das ist 12000 Franken und ließ sich nicht von dem Glauben abbringen, einen reichen Europäer vor sich zu haben. Da schien plötzlich ein Freudestrahl über Schöfflers Antlitz zu huschen. „Nun denn“, sprach er, „wenn ihr eine so große Summe wollt, so gebt meinen Freunden die Freiheit, dass sie das Geld holen können. Ich bleibe inzwischen zum Unterpfand da.“ Die Gefangenen wurden freigegeben; sie kamen natürlich nie wieder. Wohl versuchte der eingeborene Priester von den Christen einiges Lösegeld zusammenzubringen, doch ließ man ihn nicht mehr in die feindliche Gewalt zurückkehren, sondern brachte ihn in Sicherheit. Das wollte ja auch der edle Missionar. Mit Klugheit hat er die hinterhältigen Beamten überlistet, die ihn und die Seinen auch nach Zahlung des schwersten Lösegeldes nicht freigelassen hätten. August Schöffler bietet uns das Bild heroischer Hingabe und heldenmütiger Selbstaufopferung für die Seinen, er ist ja ein getreues Abbild des guten Hirten, der sein Leben hingibt für seine Schafe.
Nun war das Leben doppelt verwirkt. Indessen wurde er vor Gericht und im Gefängnis menschlich behandelt. Die Geschenke, die sein guter Oberhirte den Beamten geben ließ, verschafften ihm manche Milderung. Weder Foltern noch Fesseln kamen in Anwendung. Doch war ihm der Verkehr mit der Außenwelt völlig abgeschnitten, um keinen Anlass zu einem Befreiungs- oder Fluchtversuch zu geben. Nur mit Mühe gelang es einem Katecheten als Soldat verkleidet zu dem Heiligen zu gelangen und ihm Briefe mehrerer Missionare zu überbringen. Ungleich größeren Trost und Freude verursachte ihm der Besuch eines einheimischen Priesters, der als Optiker und Brillenhändler verkleidet zu dem Gefangenen vorzudringen vermochte und ihm die Gnade der heiligen Sakramente brachte. Frohen Sinnes trug er seine Gefangenschaft. Er versuchte sogar in heiligem Seeleneifer seine Umgebung mit den christlichen Glaubenswahrheiten bekannt zu machen.
Endlich kam der Tag, der dem Heiligen die Märtyrerpalme reichen sollte. Es war der erste Mai. Der Mandarin ließ gleich zwei Regimenter zusammenziehen, um die Christen einzuschüchtern. Die Wegführung des Missionars rief selbst unter den Dienstleuten und Gefangenen großen Schmerz hervor, so sehr hatte er sich durch seine Güte und Geduld die Liebe aller erworben. Der Blutzeuge des Herrn hingegen empfand eine unaussprechliche Freude. Er warf seine Sandalen weg, um schneller dem Tod entgegengehen zu können, und schritt triumphierend zwischen zwei Kompagnien zu je fünfzig Mann strahlenden Antlitzes und erhobenen Hauptes einher, seine Ketten hoch in die Höhe haltend und innig betend. Der größte Teil der ihn umgebenden Volksmenge war von Bewunderung ergriffen. „Welch ein Held“, sagten die Leute, „er geht zum Tod wie andere zu Festlichkeiten.“ Am Hinrichtungsort kniete der Märtyrer einen Augenblick zum Gebet nieder, nahm sein kleines Kruzifix und küsste es dreimal mit liebeerfülltem Herzen. Dann zog er sein Oberkleid aus, schlug das Hemd bis auf die Schulter zurück und sagte zum Scharfrichter: „Tut schnell Eure Pflicht.“ Doch die Hand des Henkers zitterte; zweimal hob er das Schwert und ließ es wieder sinken, erst beim dritten Streich fiel das Haupt. Die Zuschauer, beinahe alle Heiden, stürzten sich, statt wie es sonst üblich war davon zu laufen, auf den Märtyrer, stritten sich um seine Kleider, seinen Turban und den Strick, womit seine Hände gebunden waren. Selbst das Gras riss man aus, das von seinem Blut besprengt worden war. Das Volk erkannte eben gut, dass man hier nicht einen Verbrecher zu Tode geführt, sondern einen Helden, einen Heiligen, von dem alles ehrwürdig und heilbringend ist. Das Haupt des heiligen Märtyrers wurde in die Tiefe des nahen Flusses geworfen, wo es trotz aller Bemühungen der Christen nicht mehr aufzufinden war, der am Ort der Hinrichtung aber begrabene Leib konnte wieder erhoben und ehrenvoll beigesetzt werden.
Die feierliche Seligsprechung von 77 Märtyrern aus Anam und China durch Papst Leo XIII. fand am 27. Mai des Jubeljahres 1900 statt und seine Heiligsprechung 1988 durch Papst Johannes Paul II. Sein Fest wird am 24. November gefeiert.
„Die Feier zu Ehren der Märtyrer besteht in der Nachahmung ihrer Tugenden. Etwas Leichtes ist es, die Märtyrer zu ehren; aber etwas Großes, ihren Glauben und ihre Geduld nachzuahmen.“ (St. Augustinus)