Die Stadt Prag, die wegen ihrer Schönheit das Goldene Prag genannt wird, besaß vor der Machtübernahme der zerstörerischen und glaubensfeindlichen Kommunisten nach dem zweiten Weltkrieg über hundert Kirchen, unter denen die herrlichste der Dom zum heiligen Veit war, der von einem Hügel her stattlich die Stadt überragte. In Sankt-Veit befand sich eine Seitenkapelle, deren Wände mit Halbedelsteinen in Goldmörtel bedeckt waren, und in diesem schimmernden Glanz ruhten in einem kostbaren Schrein, weithin im Land Böhmen hochverehrt, die Überreste des heiligen Königs Wenzel.
All das war im Dom vom heiligen Veit zu Prag wohl eine große Herrlichkeit, allerdings eine späte Herrlichkeit, und das Fundament dieser Herrlichkeit legt das Evangelium offen, das man heute nachlesen mag und worin es heißt, dass des Menschen Feinde die eigenen Hausgenossen sind.
Jung noch war das Christentum in Böhmen, und eben erst hatte der heilige Methodius Eltern und Großeltern getauft, da erblickte Wenzel im Jahr 907 als erstgeborener Sohn des Landesfürsten das Licht der Welt. Früh starb der Vater, und an des Erbprinzen Statt nahm die Mutter, die nur äußerlich das Christentum angenommen hatte, eine herrschsüchtige und gewalttätige Frau, die Zügel der Regierung in die Hand. Da war es wohl ein gütiges Geschick, dass Wenzel der milden und frommen Großmutter Ludmilla übergeben wurde, die ihn trefflich erzog.
Darüber verstrichen die Jahre, und in dieser Zeit lastete die Hand der harten Mutter schwer auf Land und Volk, aber als die Frau es so weit trieb, dass sie die eigene Schwiegermutter Ludmilla heimtückisch ermorden ließ, musste sie der Volkswut weichen, und sechzehnjährig wurde Wenzel unter dem Jubel aller zum Landesfürsten ausgerufen.
An jenem Tag, da das geschah, bestieg ein Heiliger den Thron. Vor allem ging es dem jungen Herrscher darum, das Christentum in Böhmen, das eben erst Wurzel geschlagen hatte, zu festigen. Von Bayern her ließ er Priester kommen, Kirchen und Klöster schossen wie über Nacht aus dem Boden. Dazu kam das überzeugende und anregende Beispiel eines heiligmäßigen Lebens, das Wenzel dem Land gab. Der König hielt es, um nur auf eins hinzuweisen, nicht unter seiner Würde, den Armen auf den eigenen Schultern Brennholz zuzutragen, weil auch Gottes Sohn sich zum Menschen erniedrigte und sich im Allerheiligsten Altarsakrament aus Liebe zu uns so tief herablässt.
Überhaupt war es gerade der Heiland im Sakrament, der es dem König Wenzel angetan hatte, so dass sich sein Sinnen und Sorgen vorzugsweise um die heilige Eucharistie drehte. Gern und andächtig diente der herrliche junge Mann auf dem Thron – welch ein Vorbild für die Messdiener – den Priestern beim heiligen Opfer. Selbst säte und erntete er den Weizen und las er die Trauben, aus denen er ebenso mit eigener Hand die Opfergaben Brot und Wein für die Feier der heiligen Messe bereitete.
Gern weilte Wenzel bei Tag und Nacht, sooft er Zeit fand, im Gotteshaus, um für sein Volk zu beten und um für die Sünden zu sühnen, die im Land geschahen. Dabei erfüllte ihn die Liebe zu Gott bisweilen so sehr, dass die innere Glut sich dem Körper mitteilte. Einst ging er, wie die Legende berichtet, in strenger Winterkälte, nur von einem Diener begleitet, um Mitternacht zum Gotteshaus, und als der Heilige bemerkte, dass der Begleiter vor Frost zähneklappernd zitterte, wies er ihn an, in seinen Fußspuren durch den Schnee hinter ihm herzugehen, und als der Diener es tat, war alle Kälte verschwunden, und eine sommerlich warme Luft umwehte ihn.
Dass Wenzels Frömmigkeit keine Frömmelei war, bewies er dadurch, dass er tatkräftig gegen alles Unrecht vorging, das im Land geschah, und dass er mutig und ungescheut auch die Mächtigen strafte. Es ist verständlich, dass er sich dadurch den Hass der gewalttätigen Adelsherren zuzog, die sich schließlich gegen ihn verschworen. An der Spitze der Rebellen stand des Königs eigener Bruder, der den Heiligen bei einer Kindtaufe neben dem Taufbrunnen und nahe dem Tabernakel meuchlings mit einem Dolch niederstieß. Da erfüllte sich das Wort im heutigen Evangelium, dass des Menschen Feinde die eigenen Hausgenossen sind.
An seinem Todestag war Wenzel neunundzwanzig Jahre alt, und dreizehn Jahre war er König gewesen – ein heiliger König.