Selige Ida von Löwen, Zisterzienser-Ordensfrau zu Rosendael, + 12.4.1300 - Fest: 13. April

       

Unter den Begnadeten der Lieblinge Gottes nimmt die selige (oder „ehrwürdige“) Ida, die ihre Heimat in Löwen in Belgien hatte, einen hervorragenden Platz ein. Viel Wunderbares wird von ihr berichtet. Ihr Lebensbeschreiber versichert, dass er es aus den Aufzeichnungen des Beichtvaters der Seligen, namens Hugo, zusammengetragen habe, also des maßgebendsten Zeugen, den er überdies einen „sehr heiligen Diener Christi, einen über alles ehrwürdigen und seligen Mann“ nennt. Die schier in Vergessenheit geratene stigmatisierte Jungfrau verdient um deswillen wieder unserer Zeit als leuchtender Stern gezeigt zu werden, , als sie eine ganz besonders innige Andacht zum eucharistischen Heiland hatte und weil eben deswegen das heiligste Altarsakrament der Mittelpunkt all der wunderbaren Erscheinungen war, deren sie gewürdigt wurde.

 

Schon das Kind wurde vom Altar geheimnisvoll angezogen. Während der Wandlung sah es einmal einen Lichtstrahl vom Himmel herniedersteigen. In kindlicher Einfalt und engelgleicher Reinheit des Herzens gelangte es ins achtzehnte Lebensjahr. Da eröffnete sich dem regsamen Geist der Jungfrau eine in der Welt ganz seltene und darum auch so kostbare Einsicht von der menschlichen Nichtigkeit und Unzulänglichkeit, ein gnadenvolles, klares Erkennen der eigenen Sündhaftigkeit. Eine solche nur vom Heiligen Geist verliehene, wunderbare Erkenntnis finden wir im Leben mancher auserwählten Heiligen in auffälliger Weise, wie ein plötzliches Licht von oben gegeben. Auf den gewöhnlichen Wegen der Gnade und in ruhig fortschreitender Entwicklung, je nach dem Maß der Mitwirkung und des Verlangens, schenkt sie Gott jedem Suchenden. Der große heilige Franziskus von Assisi (+ 1226), dem die selige Ida noch einige Jahre Zeitgenossin gewesen sein könnte, hatte auch seine glückliche Stunde, als er in der Einsamkeit der Felsenhöhle bei Poggio Bustone in anhaltendem Gebet das immer offene, allen zugängliche Buch des Gekreuzigten studierte. Der „doppelte Abgrund“, wie die heilige Angela von Foligno ihn nannte, öffnete sich ihm, der Abgrund des göttlichen Wesens von Größe und Herrlichkeit, von Güte und Licht; diesem gegenüber sein eigener Abgrund von menschlicher Schwäche, von Sünde und Finsternis. Ganz zerknirscht und wie vernichtet lag Franz auf seinem Angesicht vor Gott, dem Gott, der ganz Wahrheit und Heiligkeit ist, vor dessen Allmacht nichts bestehen kann als Wahrheit und Heiligkeit. In dieser Wahrheit sah Franz auf den Grund seiner Seele und erkannte seine ganze menschliche Erbärmlichkeit, aus der heraus er in tiefster Not zu Gott emporstöhnte, wie ihn später Bruder Leone rufen hörte: „Wer bist du, Herr, du Höchster, du Weiser, du Allgütiger, du Allerbarmender, dass du zu mir kommst, der ich von allen der erbärmlichste Wurm bin, ein kleines, abscheuliches und verächtliches Geschöpf?“ Was sich in solcher Stunde der Gnade in einer Menschenseele, die sich, in vollkommenem Misstrauen auf sich selbst, in Hoffnung und Liebe nur an ihren Gott anklammert, vollzieht, kennt nur der Allwissende. Es ist das Wunder vollkommener Reinigung und Rechtfertigung. Dieser wurde sich Franziskus unzweifelhaft bewusst.

 

So geschah es auch der seligen Ida. Ein neues Licht und Leben war ihr aufgegangen, das die Heiligen gerne ihre „Bekehrung“ zu nennen pflegen. Ein mächtiges Verlangen nach den himmlischen Freuden und Gütern regte sich in ihr. Wessen sie sich aber in der Vergangenheit als Schuld bewusst war, strebte sie nun durch strenge Buße aufs eifrigste wieder gutzumachen. Mit aller Sorgfalt hütete sie ihr Gewissen, besuchte eifrigst die Kirche und pflegte besonders fromme Gespräche und einen erbaulichen Umgang mit Guten. Den väterlichen Reichtum aber, über dessen Erwerb ihr zartes Gewissen sich nicht beruhigen konnte, wollte sie gar nicht mehr benützen. Das erweckte den Unwillen des Vaters, der ganz in seinem Geschäft des Weinhandels aufging. Sein maßloser Zorn ließ sich bis zu schweren Züchtigungen der Tochter hinreißen. Wieviel musste sie dadurch leiden! Aber alle Bitterkeit ertrug sie mit Geduld, ja legte sich insgeheim noch eigene schwerste Züchtigung auf, die bis aufs Blut ging. Gegen alle Versuchungen, mit denen sie der böse Feind gewaltsam von der aufgenommenen Bahn der Frömmigkeit abdrängen wollte, waffnete sie sich durch eingehende Betrachtung des Leidens des Erlösers und durch eifrige Benützung der wirksamsten Kraftquelle für menschliche Schwäche, des Brotes der Starken“, das „alle Süßigkeit in sich enthält“.

 

So hatte Gott sich einen aufnahmefähigen, „verschlossenen Garten“ bereitet, in den er den Wunderkeim mystischen Gnadenlebens einsenken konnte. Für den alles Gute zernagenden Wurm menschlicher Selbstsucht und Eitelkeit war da kein Nährboden gegeben. Der feste Zaun der Buße und Wachsamkeit wehrte alle Schädlinge ab. Darum konnte Gott auch für die reine und demütige Jungfrau das ursprüngliche Paradiesesverhältnis zu den Geschöpfen wieder aufleben zu lassen, das dem Menschen in jenem glücklichen Stand eigen war, und das man so oft bei den auserwählten Dienern Gottes wiederkehren sehen kann. Wie St. Franziskus, der den Vögeln predigt und sie zu Gottes Lob auffordert, so ruft auch Ida die Vögel und all die gefiederten Bewohner des Hofes herbei, dass sie statt der säumigen Mitmenschen sie zur Feier der heiligen Messe begleiten. Freudig bezeugen ihr die unvernünftigen Tiere ihre Bereitwilligkeit, halten dann in Ruhe und Ordnung vor der Kirche Wache und kehren erst wieder unter Ehrfurchtsbezeigung zum emsigen Futtersuchen zurück, wenn ihnen die gottvereinte Jungfrau die Erlaubnis dazu gibt. Wenn Ida am Bach die Wäsche schwenkte, schwammen die Fische ohne Furcht auf sie zu, ließen sie mit sich spielen, sich streicheln und von ihren Händen fangen. Verdorbenem Wein gab sie seine vorige Güte wieder, verwandelte anderes Getränk in Wein und erflehte auch ihrer unerwartet vom Tod befallenen Schwester das Leben wieder von Gott zurück.

 

Größer noch und ganz wunderbar waren die Wirkungen ihres innigen Verkehrs mit dem gekreuzigten und eucharistischen Heiland. War die Gottesliebe und die rückhaltlose Hingabe an den Herrn eine vollkommene, so konnte auch die Gegengabe nur eine vollkommene sein, eine außerordentliche nach menschlicher Fassungsweise, eine gottebenbürtige im Reich der Gnade. „Die der himmlische Vater sich auserwählt hat, die hat er auch vorherbestimmt, dem Bild seines Sohnes gleichförmig zu werden“, versichert der große Apostel (Röm 8,29). Das Bild des Sohnes ist das des Gekreuzigten, das die heiligen Wunden trägt, die ihm die Liebe zu uns geschlagen hat. Auf diese hochheiligen Unterpfänder unseres Heils ging immer wieder die betrachtende Herzensneigung der erleuchteten Jungfrau zurück. Sie waren der Ort ihrer Zuflucht, die Sonne ihres Lebens und Liebens. Von so zarter Liebe angezogen, musste der allgütige Herr ihr erwidern: „Du hast mein Herz verwundet, meine Schwester, meine Braut, du hast mein Herz verwundet mit einem Blick deiner Augen“ (Hohelied 4,9). Und so gab er ihr die Geheimnisse seines Leidens auf ganz wundersame Weise zum Miterleiden, er drückte der jugendlichen Kreuzesjüngerin an den Händen, den Füßen und der Seite die Zeichen seiner heiligen Wunden ein. Was unser Heiland zur Erlösung der Welt am Kreuz in der Durchbohrung der Nägel gelitten hat, davon schenkte er der liebenden Kreuzesbraut ein gar köstliches Andenken, das sie nicht so sehr im Gedächtnis behalten, als vielmehr an ihrem Körper mitleiden sollte. Die Male zeigten sich als Kreise von verschiedener Farbe und wuchsen sich an der inneren wie äußeren Hand- und Fußfläche nach Art böser Wunden aus, für jedermann unzweifelhaft sichtbar. Ganz klaffend war die Seitenwunde, bis ins Innere gehend, wie wenn sie das Atmen der Brust oder den Schlag des Herzens vermitteln müsste. Jede Berührung, selbst die bedeckenden Kleider verursachten große Schmerzen. Arbeiten, die eine Bewegung des Oberkörpers bedingten, wurden ihr eine Qual. Ida musste sie öfter unterlassen. Selbst das Nähen, womit sie sich den Lebensunterhalt verschaffte, wurde zur schmerzendsten Buße und musste oft unterbleiben. Dabei litt sie auch schweres Weh im Kopf, wie von stechenden Dornen, rings um das Haupt. Der beengte Schmerz erneuerte immer seine Kraft, wenn die unschuldige Nachfolgerin des Gekreuzigten, gleich diesem, Misshandlungen und Schmähungen von Seiten ihres Vaters oder Verwandten erfahren musste. Das alles ertrug sie als kostbaren Anteil am Kreuz des Herrn mit hochherzigem Mut. Eins aber erschien ihrer Demut und Einfalt als allerschwerste und kaum zu ertragende Prüfung, nämlich die Furcht, es möchten die wunderbaren Zeichen dem Volk bekannt werden und ihr, der Unwürdigen und nur nach Gebühr leidenden Büßerin, daraus eine unverdiente Ehrung zuteilwerden. So geschah es auch danach. Denn so sehr sie sich Mühe gab, die Wundmale an den Händen konnten nicht lange verborgen werden, wie auch die Seitenwunde ihren Angehörigen nicht geheim blieb. Da flehte denn die Leidensjüngerin in der Angst ihres Herzens inständigst zum allgütigen Geber aller Gnaden, er möge ihr die Wundmale wieder nehmen. Und siehe, was der liebe Heiland als Unterpfand seiner besonderen Liebe gegeben hatte, das nahm er jetzt wieder zum neuen Beweis seines Wohlgefallens an der Sorgsamkeit, mit der sie den kostbaren Schatz der Demut hütete. Die Sichtbarkeit der Male verschwand, die Leidensempfindung aber blieb. Mit dem Erlöser durfte sie büßen für die Schuld der sündigen Menschheit.

 

Der gütige Heiland bereitete seiner liebenden Jüngerin wieder andere wundersame Entschädigungen. Er verlieh ihr die Gabe der Beschauung, jenen höchsten Grad des Gebetes, der zur innigsten Vereinigung mit Gott führt, wo der Betende nicht mehr mit Mühe seine Arme nach der göttlichen Wahrheit auszustrecken braucht, wo Gott selber die himmlische Erkenntnis mit großer Lichthelle und unwiderstehlicher Anziehungskraft in die Seele hineinstrahlt. Die Seele ist dabei nur empfangend und leidend, wie ein Kind, das aus dem Becher trinkt, den ihm die Mutter hinhält. Zu diesen Ekstasen der seligen Ida gab zumeist Veranlassung ihre überaus große Hinneigung zu Jesus im Sakrament der Liebe. Mit ihm in Vereinigung zu sein war die heiße Sehnsucht ihres Herzens. Doch ach, nur allzu selten wurde ihr der wirkliche Genuss des heiligen Fronleichnam zuteil, wie damals üblich, meist nur an den Sonn- und Feiertagen. In ihrer Inbrunst umfasste und küsste sie die heiligen Gefäße auf dem Altar. Die Gegenwart des Herrn im Tabernakel pflegte sie zu fühlen. Einmal während der heiligen Messe war die Glut ihrer Sehnsucht so entbrannt, dass sie nur mit gewaltiger Überwindung und Herzensnot sie zu ertragen vermochte. Des Heilands erbarmende Güte aber hatte Mitleid mit ihr. Im selben Augenblick, da der Priester am Altar die heilige Kommunion empfing, da empfand auch das glückliche Kind die hochheilige Gestalt des Brotes im Mund, durch Engelsdienst gebracht, wie man glaubte, sie fühlte es mit der Zunge und empfand den Geschmack. Zugleich kostete sie dem Leib und der Seele nach eine solche Köstlichkeit, dass die beseligende Ankunft des Urhebers aller Köstlichkeit nicht in Zweifel gezogen werden konnte. Diese Gunst wurde ihr mit wachen Sinnen zuteil. Auch in der Verzückung empfing sie den Herrn.

 

Einmal, nach längerem Gebet, wurde ihr Geist, wie so oft, wiederum über seine körperlichen Grenzen hinaus zur Betrachtung der himmlischen Dinge fortgerissen. Da sah sie mit ihrem geistigen Auge ihren lieben Jesus auf sich zukommen, entzückend zu schauen in der Anmut seiner Menschheit. Sie sah, wie er seine Brust von den Kleidern entblößte, sie ihr zeigte und sie mit deutlichen Zeichen ermunterte, aus seiner Seite den Trank des Heils zu schöpfen. Idas Lebensbeschreiber fügt noch die Versicherung bei, dass er von ihrem Beichtvater mündlich und schriftlich das Zeugnis erhalten habe, dass die Selige öfters in der Verzückung mit dem Liebesjünger Johannes aus dem Gnadenquell der Seite des Herrn geschöpft habe. Somit gehört die ehrwürdige Ida von Löwen zu jenen Begnadeten, denen der Erlöser die Segnungen seines heiligsten Herzens im mystischen Schauen eröffnet hat.

 

Nicht minder beachtenswert und belangvoll für unsere Zeit ist auch die Mitteilung, dass sich die fromme Jungfrau, um nicht durch Neid und Ärgernisnehmen der Mitmenschen am häufigen Empfang des heiligsten Sakramentes gehindert zu sein, durch ihre geistlichen Ratgeber vom Apostolischen Stuhl das Gnadenindult erbitten ließ, „dass sie alle Tage, wenn sie wolle und es ihr beliebe, zum Empfang der heiligen Kommunion ohne jegliches Hindernis hinzutreten könne“. So ein Gnadenerlass sei in jener Zeit selten gewährt worden, fügt der Schreiber bei, woraus hervorgehe, dass die ehrwürdige Ida mit nicht geringer Heiligkeit geschmückt gewesen sein müsse, weil sie das Ansehen des Heiligen Stuhls durch dieses Vorrecht sie allen Kindern der Kirche als verehrungswürdig hinstellte.

 

Ein so außerordentliches Leben rein mystischer Art konnte sich nicht gut in der Welt entfalten; es bedurfte der bergenden Mauern des Klosters. Wie aber kam die ehrwürdige Ida schließlich zu dem Entschluss, sich dahin zu flüchten? Wieder war es ihre große Selbsterkenntnis, das Gnadenlicht, das sie erleuchtete, das ihr auch diesen Weg gewiesen hat. Es ist auffallend, was sie als Grund für den Eintritt in einen Orden angibt. Sie könne das Lob des Volkes nicht mehr länger ertragen. Obwohl sie mit Sündenmakeln überladen sei und das auch öffentlich bekenne, so sei doch niemand, der ihr diese Schuldhaftigkeit strafend vor Augen halte. Sie müsse deshalb die nichtwürdige Welt und selbst ihre geistlichen Freunde, auf deren Trostwort sie bisher vertraut habe, verlassen und sich ganz der Barmherzigkeit ihres Gottes überlassen. Die Barmherzigkeit Gottes suchte Ida, und wo konnte sie diese besser finden, als dort, wo das ganze Leben nach strengen Gesetzen geregelt, ein Leben der Buße ist, ein einziger Bittruf nach der Barmherzigkeit Gottes. Wenn die Ordenskandidatin, zur Einkleidung bereit, nochmals gefragt wird, was ihr Begehren sei, antwortet sie: „Die Barmherzigkeit Gottes.“ Die selige Ida suchte diese Barmherzigkeit Gottes im Zisterzienserinnenkloster Rosendael (Rosental) bei Mecheln, das ihre Vorfahren gestiftet hatten. Hier diente sie viele lange Jahre hindurch mit aller Regeltreue dem Allgütigen, hier mehrten sich noch immer die Gnadenwunder in ihrer eucharistischen Vereinigung mit dem himmlischen Seelenbräutigam, hier auch vollendete sie selig ihren Erdenlauf, der schon im Leib mehr ein „Verkehr im Himmel“ war als auf dieser Erde.

 

Wie kann Demut bestehen neben der Überfülle von Gnadengaben? Außer der wahren Selbsterkenntnis, dieser ersten Quelle der Demut, nennt die selige Ida noch ein praktisches Mittel: „Wenn ich die unaussprechlichen Wohltaten von Gottes Güte annehme oder mich ihrer erinnere, so tue ich es, als ob Gott sie nicht mir, sondern irgend einem Unbekannten gegeben habe. Er, der Erlöser ist es, der seine Braut schmückt; wer das sei, ist gleichgültig. Wenn ich in Gehorsam von den Gaben des Herrn reden muss, tue ich es nur, wenn ich auch gleichzeitig meine Sündhaftigkeit offenbaren darf. Ich würze eines mit dem anderen. So wird jedes schmackhaft und unschädlich.“