Heilige Elisabeth von Thüringen, + 19.11.1231 - Fest: 19. November

       

Die heilige Elisabeth, in Ungarn geboren, kam mit vier Jahren nach Thüringen. Dort ist sie auf Schloss Wartburg groß geworden. Zu keiner Zeit hat sie sich etwas darauf eingebildet, dass sie Königstochter war und Fürstin werden sollte. Als Mädchen war sie einfach und gläubig zugleich, und oft hat sie ihre kleine Krone, den Ring und die Perlenschnur vor einem Kreuz Jesus Christus ehrend zu Füßen gelegt.

 

Sehr früh ist Elisabeth die Frau des Landgrafen Ludwig von Thüringen geworden. Sie lebten in einer sehr glücklichen Ehe, so wie zwei Königskinder, die sich sehr lieb haben, und bekamen drei Kinder. Selten sind ein Mann und eine Frau so froh übereinander gewesen als Ludwig und Elisabeth von Thüringen im Kreis ihrer Kinder. So groß war das Glück, dass Elisabeth alles Liebe und Gute den leidgeprüften Menschen ihrer Zeit weitergeben wollte.

 

Elisabeth wurde zum leuchtenden Vorbild der schenkenden und dienenden Nächstenliebe. Alles gab sie mit Liebe her, Geld und Gut, Getreide und Brot, Speise und Kleider und sich selbst dazu, denn sie scheute weder Wind noch Wetter noch Hitze noch Frost noch Weg noch Steg, um überall im Land den Armen und Notleidenden zu helfen. Die Fürstin Elisabeth selbst reinigte den Kranken die verlausten Betten und die schmutzigen Zimmer, nahm sich der Waisen an und ließ ein Spital für Aussätzige bauen, und als sie einmal einen Hund sah, der einen allzu schweren Karren keuchend mit letzter Kraft den Berg hinauf zog, da löste sie dem Tier die Riemen und spannte sich selbst vor den Wagen.

 

Die Legende erzählt, dass Ludwig einmal Elisabeth auf einem Gang im Schnee überraschte und sie scherzend fragte, was sie so schwer unter dem Mantel trägt. Lächelnd gab Elisabeth den Scherz zurück und sagte, es seien Rosen mitten im Winter. Und als Ludwig lieb den Mantel zurückschlug, war Elisabeths Scherzwort zur Wirklichkeit geworden. Rosen, weiß und rot, blühten mitten im Winter im Korb unter ihrem Mantel.

 

So erzählt die Legende, und wenn es auch nur Legende ist, so spricht sie doch Wahrheit, denn wo immer ein Mensch, von Gott angeleitet, anderen, die in Not und Armut und Krankheit und Gebrechen und Kummer und Sorgen leben, mit Rat oder Tat am Leib oder an der Seele hilft, da blühen Rosen, weiß und rot, sogar mitten in Eis und Schnee.

 

Viel Leid ist später über Elisabeth gekommen. Früh starb ihr Mann. Von harten Menschen wurde sie aus dem Haus vertrieben. In einem Stall hat sie gewohnt. Eine Frau, der sie zuvor viel Gutes ohne Ende erwiesen hatte, stieß sie verächtlich in eine Pfütze am Weg. Man nahm ihr die Kinder und tat ihr viel andere böse Dinge an. Doch das alles trug Elisabeth nach Art der Christen als starke Frau, aber als man ihr verbot, Almosen zu spenden, und sie sich dem Gebot fügen musste, da wollte ihr Herz vor Kummer brechen.

 

Wie muss man doch diese herrliche Frau selig preisen, deren größtes Leid darin bestand, dass sie anderen nicht mehr helfen durfte!

 

Die heilige Elisabeth starb am 17. November 1231 in Marburg.

 

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Das Leben des heiligen Elisabeth nach Ferdinand Heitemeyer von 1889:

 

Im Garten Gottes blühen die schönsten Blumen: Das Veilchen der Demut, die Lilie der Keuschheit, die Rose der Liebe, das Immergrün der Hoffnung, der Rittersporn des Starkmutes, die Sonnenblume himmlischen Strebens, die Passionsblume der Leidensfreudigkeit und tausend andere, die das Auge und Herz des Beschauers erfreuen. Ein solcher Gottesgarten voll der lieblichsten und duftigsten Tugendblüten war das Herz der heiligen Elisabeth. Bis in die spätesten Zeiten wird der Glanz und Duft dieser schönsten Blüte Deutschlands hochgeschätzt und geliebt sein.

 

Der fromme König Andreas II. von Ungarn und seine edelmütige Gemahlin Gertrud von Meran und Andechs wurden im Jahr 1207 durch die Geburt eines holden Kindes erfreut, das in der heiligen Taufe den Namen Elisabeth, d.h. „die Gottgeweihte“, empfing. Schon früh zeigte sich die Gnade Gottes an dem Kind, denn kaum fing es an zu sprechen, so ertönte der süße Name Jesus von seinen Lippen und es war seine Lust, die Tränen der Armen durch herzliches Mitleid und reichliche Gaben zu trocknen. In dem Kind schien dem ganzen Land ein Glücksstern aufgegangen zu sein, denn Friede und Segen ergoss sich seit seiner Geburt über das Königreich.

 

Im Jahr 1211 erschien eine Gesandtschaft des mächtigen und berühmten Landgrafen Hermann I. von Thüringen und Hessen unter Führung des edlen Ritters Walter von Varula am Hof des Königs von Ungarn, und bat für den jungen elfjährigen Landgrafen Ludwig um die Hand der kleinen Elisabeth. König Andreas willigte ein und übergab dem Gesandten sein vierjähriges Kind, damit es, der Sitte jener Zeit gemäß, am Hof ihres Verlobten erzogen würde. In einem goldgestickten Gewand, in einer silbernen Wiege liegend und mit reichen Schätzen ausgestattet, von dreizehn ungarischen Edelfräulein und vielen Rittern begleitet, kam Elisabeth glücklich auf der Wartburg bei Eisenach an. Ungemeiner Jubel herrschte am Hof des Landgrafen und alle bewunderten die Schönheit und Anmut des Kindes. Unter großen Feierlichkeiten, die die berühmtesten deutschen Meistersänger mit ihren Liedern verherrlichten, fand die Verlobung des elfjährigen Prinzen Ludwig mit Elisabeth statt.

 

Mitten unter den Freuden des Hoflebens entfaltete Elisabeth die schönsten Tugenden. Alle ihre Gedanken und Bestrebungen waren auf Gott gerichtet. So oft sie konnte, kniete sie am Altar der Schlosskapelle nieder und überließ sich frommen Gebeten und Betrachtungen. Fand sie die Kapelle verschlossen, so küsste sie andächtig das Schloss, die Tür und äußere Mauer aus Liebe zu Jesus, der im Tabernakel wohnte. Gern ging sie mit ihren Gespielinnen auf den Gottesacker und mahnte sie: „Erinnert euch, dass wir einst nichts als Staub sein werden! Darum lasst uns Gott lieben! Kniet nieder und sprecht mit mir: „Herr, durch deinen grausamen Tod und durch deine geliebte Mutter Maria erlöse diese armen Seelen von ihrer Pein! Herr, durch deine heiligen Wunden mach uns selig!“ Wer zu ihr von Gott und seinen heiligen Geboten redete, dem schenkte sie ihre volle Aufmerksamkeit. Nichts lernte sie so gern, als Gebete und betete täglich eine Anzahl derselben. Wurde sie am Tag daran verhindert, dann holte sie in der Nacht das Versäumnis nach. Den engelreinen Jüngling Johannes wählte sie zu ihrem besonderen Beschützer und schlug niemand eine Bitte ab, der sie im Namen dieses heiligen Apostels anflehte. Eine grenzenlose Barmherzigkeit hegte sie gegenüber allen Armen und Kranken. Alles Geld und alle Lebensmittel, die sie erhaschen konnte, brachte sie den Notleidenden. Sie ließ dafür ein Vaterunser oder Ave Maria beten.

 

Mit dem Tod des Landgrafen Hermann begann für die neunjährige Elisabeth eine schwere Prüfungszeit. Während seines Lebens durfte niemand die zärtlich von ihm geliebte Königstochter in ihren frommen Andachtsübungen stören, als er aber gestorben war, hatte sie von der Witwe, der Landgräfin Sophie, und deren hoffärtigen Tochter Agnes vieles zu leiden und bekam die bittersten Vorwürfe wegen ihrer Demut, Einfalt und Gottinnigkeit. Voll Spott und Gift sagten sie ihr, sie habe nichts Fürstliches an sich und eigne sich wohl zu einer einfältigen Dienstmagd oder Klosterfrau, nicht aber zu einer Fürstin.

 

Einst befahl die Landgräfin am Mariä Himmelfahrtstag den beiden Prinzessinnen Agnes und Elisabeth, ihre schönsten Kleider anzulegen, ihre goldenen Kronen aufzusetzen und mit ihr nach Eisenach zum Hochamt in die Liebfrauenkirche zu gehen. Dies geschah. Kaum aber knieten alle drei vor dem großen Kruzifix, als Elisabeth schweigend ihre Krone abnahm, auf dem Boden niederkniete, und den Zipfel ihres Mantels mit Tränen benetzte. Sophie und Agnes machten ihr bittere Vorwürfe, doch Elisabeth erwiderte sanftmütig: „Vor meinen Augen hängt mein Gott und König mit einer scharfen Dornenkrone, und ich elendes Geschöpf sollte vor ihm mit einer kostbaren, goldenen Krone erscheinen? Sollte ich ihn verhöhnen? Ach, das kann ich nicht!“

 

Elisabeth duldete alle Kränkungen und Feindseligkeiten der Landgräfin und ihrer Tochter gottergeben. Während sie mit dem Plan umgingen, die ungarische Königstochter in ein Kloster zu stecken oder zu ihrem Vater heimzuschicken, erhob Elisabeth ihre Hände zu Gott und sprach: „Herr, dein Wille geschehe!“ Dann wartete sie ruhig ab, was Ludwig beschließen würde. Ludwig aber blieb seiner Verlobten getreu und er liebte sie wegen ihrer Tugend und Frömmigkeit von Tag zu Tag mehr. Einst sprach er zum Grafen Varula, indem er seine Hände gegen den nächsten Berg ausstreckte: „Wenn dieser Berg da ganz von Gold wäre und mir allein gehören sollte, aber ich müsste Elisabeth dafür lassen, - ich täte es nicht. Ich liebe sie und werde sie heiraten.“

 

Sobald Ludwig das zwanzigste Lebensjahr erreicht hatte, nahm er im Jahr 1220 die dreizehnjährige Elisabeth unter großen Feierlichkeiten zur Ehe. Ein so frommes, schönes und glückliches Ehepaar hat die Welt selten gesehen. Ihre innige Liebe zueinander tat der Liebe Gottes keinen Abbruch, beide ermunterten sich zu Werken der christlichen Nächstenliebe und nannten sich, wie in der frühen Kindheit, nur Bruder und Schwester.

 

Ludwig war ein Mann von seltener Schönheit, seine blonden Haare wallten reich über Nacken und Schultern, seine Wangen blühten im Rot der Unschuld, sein Auftreten war würdevoll, Anmut und Heiterkeit lagen auf seinem Antlitz. Mit seiner leiblichen Schönheit und Würde wetteiferte seine Frömmigkeit. Täglich hörte er die Heilige Messe. Er war ein Beschützer der Unschuld, ein strenger Richter über die Gottlosen, ein Freund der Frommen, ein freigebiger Wohltäter der Armen. Oft besuchte er das Kloster Reinhardsbrunn, das seine Vorfahren gebaut hatten, beschenkte und tröstete die Kranken im Kranken- und Pilgerhaus, das damals bei jedem Kloster stand, und ahmte in viele Stücken dem Leben der Mönche nach. Sein Volk liebte ihn sehr, und im ganzen Land herrschte Eintracht und Sicherheit.

 

Elisabeth vereinte mit ihrer Jugend Hoheit und Würde. Von bräunlichem Angesicht, schwarzem Haar, schlankem Wuchs, würdevollem Gang, nahm sie durch ihre freundlichen Mienen und ihr gütiges herablassendes Wesen alle Herzen für sich ein. Unter ihren fürstlichen Kleidern trug sie ein Bußgewand, jeden Freitag und jeden Tag in der Fasten ließ sie sich aus Liebe zum leidenden Heiland von einer vertrauten Magd geißeln, den Andachtsübungen und der Armenpflege widmete sie sich nach Herzenslust und erbaute durch ihre innige Andacht bei jedem Gottesdienst das Volk. Oft stand sie in der Nacht auf und betete lange und inbrünstig. In Speisen und Getränken tat sie sich viel Abbruch. Oft stand sie von der reichsten Tafel hungrig und durstig auf, oder, wenn es ihr Gemahl nicht bemerkte, nahm sie nur Wasser und Brot.

 

So streng und hart Elisabeth sich selbst behandelte, so liebreich war sie gegenüber ihren Mitmenschen, besonders gegenüber den Dürftigen und Siechen. Soviel ihr Gemahl ihr auch an Geld und Lebensmitteln überließ, es reichte ihrer Freigebigkeit nicht zu. Zuweilen beraubte sie sich ihrer eigenen Kleider, um den Notleidenden helfen zu können. Als sie einst schon alles fortgegeben hatte, flehte sie ein Dürftiger noch dringend um ein Almosen an. Da nahm sie einen ihrer mit Edelsteinen besetzten Handschuhe und gab ihn dem Dürftigen. Ein junger Ritter kaufte ihn den Handschuh ab und steckte ihn als Unterpfand des göttlichen Schutzes an seinen Helm. Auf dem Todesbett versicherte er, dass er seine Rettung in den Schlachten, seinen Ruhm und seine Siege diesem Andenken der heiligen Elisabeth verdanke.

 

Nicht zufrieden, den Armen an ihrer Pforte Gaben auszuteilen, suchte sie auf weiten und beschwerlichen Wegen die Bedürftigen in ihren Hütten auf, scheute nicht den Schmutz und die verpestete Luft, pflegte die Kranken, tröstete die Bekümmerten, hob die Kinder der Armen aus der Taufe, wachte bei den Leichen und folgte ihnen zum Grab. Besonders nahm sie sich der Aussätzigen an, die von den Gesunden sorgfältig gemieden wurden. Sie wusch ihnen Hände und Füße, kniete demütig vor ihnen nieder und küsste ihre Wunden und Geschwüre. Eines Tages schleppte sie einen Aussätzigen in ihr Schloss, reinigte ihn und legte ihn, da sonst kein Platz mehr übrig war, in das Bett ihres Gemahls. Inzwischen kehrte der Landgraf zurück und seine Mutter klagte ihm zürnend: „Komm und schau, ich will dir ein Wunder von deiner Elisabeth zeigen!“ Aufgeregt eilte er in sein Schlafgemach und fragte: „Frau, wer ist da in meinem Bett?“ Zugleich riss er die Decke weg und – o Wunder! – statt des Aussätzigen erblickte er in seinem Bett das Bild des Gekreuzigten. Sprachlos vor Erstaunen steht er da, weint, küsst Elisabeth und spricht: „Meine liebe Schwester, solche Gäste lege nur oft in mein Bett, das ist mir wohl zu Dank. Lass dich von niemand in der Ausübung deiner Tugenden irre machen!“

 

Als sie einst den Berg hinabging und Fleisch, Brot und Eier für ihre Armen unter dem Mantel trug, begegnete ihr Ludwig und fragte sie neugierig: „Lass sehen, was du trägst!“ Während er ihren Mantel zurückschlug, sah er nur rote und weiße Rosen, die schönsten, die er je gesehen hatte, und doch war die Zeit der Blumen längst vorüber. Über ihrem Haupt schwebend sah er ein leuchtendes Kruzifix, weshalb er an dieser Stelle daraufhin eines aufrichten ließ.

 

Im häuslichen Kreis war Elisabeth immer heiter und wohlgemut, spann mit ihren Dienerinnen Wolle und verfertigte Leinen für ihren Bedarf und für die Armen. Ihren Gemahl liebte sie mit unaussprechlicher Zärtlichkeit, saß neben ihm am Tisch und begleitete ihn trotz ungestümer Witterung auf seinen kleinen Reisen. Musste er auf längere Zeit die Wartburg verlassen, so legte sie schwarze Witwenkleider an bis zu seiner Heimkehr. Oft unterhielt sie sich mit ihrem Gemahl über die Liebe zur Armut um Christi willen. Sie pflegte dann ärmliche Kleider anzulegen, ihr Haupt mit einem zerrissenen Schleier zu bedecken und im prophetischen Geist sprach sie: „So werde ich einhergehen, wenn ich um Gottes Willen arm und elend sein werde.“ Einst überraschten sie vornehme Herren in ihrem ärmlichen Anzug. Ihr Gemahl geriet in die peinlichste Verlegenheit, sie aber trat nach kurzem Gebet unbefangen vor die Herren und diese konnten sich nicht sattsehen an der reizenden Schönheit, an dem Prachtgewand von himmelblauer Seide und dem Perlengeschmeide der Tochter ihres Königs. Wie zärtlich sorgt doch Gott für die Seinigen! Gerührt über diesen Gnadenerweis Gottes rief der fromme Landgraf aus: „Wahrlich, unser Gott ist ein sehr guter Gott! Es ist ehrenvoll, einem solchen Herrn zu dienen, der den Seinen so getreulich zu Hilfe kommt. Auch ich will von diesem Tag an immer mehr sein Knecht sein.“ Er hielt Wort und bemühte sich, seiner heiligen Gattin möglichst ähnlich zu werden.

 

Um diese Zeit kamen die ersten Franziskanerbrüder nach Deutschland und kehrten auf der Wartburg ein, erzählten gar vieles von ihrem Ordensstifter, dem heiligen Franziskus von Assisi, und wie auch Weltleute an ihrem Orden teilnehmen könnten; denn der Heilige Vater habe für diese den Dritten Orden gestiftet. Elisabeth erbat sich und erhielt von ihrem Gemahl die Erlaubnis, sich in diesen Orden aufnehmen zu lassen. Sie war das erste Mitglied dieses segensreichen Ordens in Deutschland. Der heilige Franziskus schickte der Fürstin, die die Armut so lieb hatte, seinen alten Mantel als Unterpfand seiner Hochachtung, und Elisabeth trennte sich erst im Tod von diesem kostbaren Andenken.

 

Mit ungefähr siebzehn Jahren verlor Elisabeth ihren Beichtvater. Ihr Gemahl wandte sich an den Papst um einen guten Seelenführer. Dieser empfahl ihr den frommen und gelehrten Meister Konrad von Marburg, dessen gewaltiger Feuereifer und musterhafter Wandel viel zur Unterdrückung der albigensischen Ketzerei beigetragen hatte. Elisabeth legte ihm im Jahr 1225 das Gelübde des Gehorsams ab für alle Dinge, die nicht dem Recht der heiligen Ehe widerstrebten, sowie auch das Gelübde, für den Fall, dass sie ihren Gemahl überlebe, im keuschen Witwenstand zu verbleiben.

 

Als der Landgraf im Jahr 1225 mit dem Kaiser auf dem Reichstag zu Cremona in Italien weilte, entstand im Thüringer Land eine furchtbare Hungersnot, so dass die Leute Gras und Wurzeln aßen und die Wege mit Leichen bedeckt waren. Voll des innigsten Mitleids verteilte Elisabeth den ganzen Schatz des Landgrafen unter die Armen, ließ die Vorratskammern öffnen und speiste täglich 900 Arme, ließ zu dem Krankenhaus am Fuß der Wartburg noch zwei Krankenhäuser in Eisenach bauen und ging täglich selbst den beschwerlichen Weg, „Kniebrecher“ genannt, um die Kranken zu pflegen, die Betten zu reinigen, den Sterbenden im Todeskampf beizustehen. Zuletzt verkaufte sie noch ihre Edelsteine und Kostbarkeiten, um keinen Armen abweisen zu brauchen. Als der Landgraf heimkehrte und die Verwalter über die Verschwendung seiner Gemahlin klagten, wies er sie mit den schönen Worten zurück: „Wenn mir nur Eisenach mit der Wartburg und Naumburg bleibt, dann kann meine Elisabeth in Gottes Namen verschenken, wem, was und wann sie will. Almosen macht niemand arm.“

 

Gott hatte die frommen und edelmütigen Edelleute mit einem Söhnlein und drei Töchtern beschenkt. Barfuß trug Elisabeth jedes Kind beim ersten Ausgang selbst zur Kirche, um es Gott aufzuopfern. Aber bald wurde das Familienglück getrübt; denn der Kaiser erließ einen Aufruf zu einem Kreuzzug in das Heilige Land. Im Herbst 1227 musste Ludwig den Kaiser begleiten und übertrug die Regierung seinem Bruder Heinrich. Der Abschied Elisabeths von ihrem teuren Gemahl war ein herzzerreißender, da sie ahnte, dass sie ihn nicht wiedersehen werde. Schon bald erkrankte Ludwig und starb zu Otranto in Italien eines seligen Todes. Wer möchte die Trauer schildern, die die liebende Gattin bei der Todesnachricht ergriff? Nur im Gebet fand sie Stärke, den bitteren Leidenskelch zu trinke, den Gott ihr darreichte. Sie sollte den Kelch bis zur Hefe leeren.

 

Heinrich, der Bruder des verstorbenen Landgrafen, verstieß sofort Elisabeth mit ihren vier Kindern wie eine nichtswürdige Verbrecherin von der Wartburg und erklärte sie aller Güter verlustig. Weinend stieg die verlassene Witwe mitten im rauen Winter von der Wartburg herab, ihr jüngstes Kind auf den Armen, die anderen drei von ihren Frauen geführt. Vergebens klopfte sie an alle Türen in Eisenach. Niemand öffnete ihr; denn alle fürchteten den Zorn des neuen Landesherrn, der den strengen Befehl erlassen hatte, weder Elisabeth noch ihre Kinder in ein Haus aufzunehmen. Vor Frost erstarrt, von Hunger gequält, erlaubte ihr endlich ein Wirt, in einem Schweinestall zu übernachten. Die Königstochter, die in einer silbernen Wiege nach Eisenach kam, saß dort jetzt auf einem Haufen halbverfaulten Strohs. In ihrer Not betete sie zu Gott und ein wunderbarer Friede ergoss sich in ihre Seele. Um Mitternacht hörte sie in dem von ihrem Gemahl Ludwig gestifteten Franziskanerkloster zur Mette läuten. Sogleich eilte sie mit ihren Kindern zur Kirche und bat nach der Andacht die Mönche, ein Te Deum zu singen, um Gott zu danken für die Trübsal, die er über sie verhängte. Bis zu Tagesanbruch blieb sie in der Kirche. Dann bettelte sie an den Türen um ein Obdach und Speise und Trank für ihre Kinder. Nach langem vergeblichen Umherlaufen erbarmte sich ihrer ein armer Priester, aber auch da vertrieben sie ihre Feinde. Arme Leute nahmen ihr nun heimlich ihre Kinder ab und verpflegten sie, sie selbst ernährte sich mit Spinnen. Als Elisabeth einst mit einer schweren Bürde über einen schmutzigen Bach ging, trat ihr ein boshaftes Bettelweib entgegen, die viele Wohltaten von ihr empfangen hatte, stieß sie in das Wasser und sagte spottend: „Da liege, du Närrin! Du hast es nicht verstanden, Landgräfin zu sein; jetzt hast du, was dir gebührt!“ Elisabeth ertrug diese Schmach geduldig und sagte beim Aufstehen lächelnd: „Das ist dafür, dass ich einst Gold und Edelsteine trug.“ Jesus erschien ihr, tröstete sie und nannte sie seine Schwester und Freundin. Die Mutter Gottes nahm ihre Hände zwischen die ihrigen und sprach: „Willst du meine Tochter sein, so will ich deine Mutter sein!“

 

Nach einiger Zeit erfuhren Elisabeths Verwandten ihre unwürdige Behandlung, und ihr Oheim Egbert, Bischof von Bamberg, wies ihr das Schloss Bodenstein zum Wohnsitz an, trug väterliche Sorge für sie und ihre Kinder und gedachte sie dem Kaiser Friedrich II., der seine Gemahlin vor kurzem verloren hatte, zu vermählen. Aber die verstoßene Bettlerin hatte sich bereits einem edleren Bräutigam, Jesus Christus, verlobt.

 

Nach einiger Zeit kehrten die thüringischen Ritter aus dem Gelobten Land zurück und brachten die Leiche ihres geliebten Landesherrn von Otranto nach Bamberg, von da nach Reinhardsbrunn. Empört über die schmachvollen Unbilden, die man ihrer Landesfürstin angetan hatte, zwangen sie Heinrich, das Witwengut herauszugeben, ein Leibgeding von 500 Mark Silber zu zahlen, und ihrem Sohn Hermann die Nachfolge zu sichern. Elisabeth umarmte ihren ehemaligen Todfeind und ließ keinem ihrer Beleidiger das Unrecht vergelten.

 

Um ihrem Heiland möglichst gleichförmig zu werden, verließ Elisabeth ihren Palast und bezog eine arme Lehmhütte neben der Franziskanerkirche zu Marburg, legte am Karfreitag die Gelübde der Armut, der Keuschheit und des Gehorsams ab, ließ sich ihr schönes Haar abschneiden, empfing das graue Büßerkleid, umgürtete sich mit einem Strick, und flehte zu Gott inbrünstig um drei Gaben, nämlich um Kraft, Schimpf und Verleumdungen der Menschen geduldig zu ertragen, dann um gänzliche Verachtung aller irdischen Güter, endlich um Abnahme ihrer übermäßigen Liebe zu ihren Kindern. Ihr frommer, aber auch sehr strenger Beichtvater Konrad unterstützte sie in ihrem Streben nach Vollkommenheit. Ihr Sohn Hermann wurde zur Erziehung auf das Schloss Kreuzberg gebracht, ihre Töchter fanden Unterkunft im Kloster Altenburg, wo die jüngste, Gertrud, später Äbtissin wurde; die älteste heiratete den Herzog von Brabant, die mittlere starb früh. Auch von ihren ältesten und vertrautesten Leidensgefährtinnen Isentrude und Guda musste sie sich trennen. Nach dem Beispiel ihres seraphischen Vaters Franziskus lebte fortan die Königstochter in der äußersten Armut, um dem Heiland möglichst gleichförmig zu werden. Wie früher waren die Armen und Kranken ihre liebsten Freunde. Sie ließ zu Marburg ein Hospital bauen und verrichtete dort täglich die niedrigsten und ekelhaftesten Dienste. Sie küsste sogar die scheußlichsten Wunden und tat für die Elenden mehr, als eine Mutter für ihre Kinder tun kann. Für diese außerordentliche hingebende Liebe belohnte sie Gott mit der Wundergabe. Ein taubstummer und gelähmter Junge lag einst vor der Tür des Spitals, das sie mit Tagesanbruch zu besuchen pflegte. „Was fehlt dir, mein liebes Kind?“ fragte sie zärtlich. Da der Junge auf ihre wiederholten Fragen schwieg, sprach sie traurig: „Im Namen Jesu sage mir, was dir fehlt!“ Der Junge stand auf, lobte Gott und war von all seinen Leiden befreit. – Ein an Händen und Füßen Verstümmelter rief ihr einmal zu: „Eilet, Frau! Ich bin aus Reinhardsbrunn, wo euer Gemahl begraben liegt. Aus Liebe zu seiner Seele helft mir! Betet für mich!“ Mit überirdischer Zärtlichkeit sah Elisabeth den Unglücklichen an, und siehe, von Stunde an war er gesund. – Ein Blinder bat um ihr Gebet. „Bete du selbst mit!“ entgegnete sie und ließ ihn neben sich hinknien. Je inniger sie betete, desto heller wurden seine Augen, bis er ganz deutlich sah. Dann erhob sie sich und sprach: „Nun musst du Gott dienen, fleißig arbeiten und jede Sünde meiden.“ – Zur Winterzeit wünschte ein Kranker einen Fisch. Elisabeth ging zur nächsten Quelle und betete: „O Herr Jesus Christus, ist es dein Wille, so gib mir einen Fisch für den armen Kranken!“ Sogleich fand sie in dem Eimer, mit dem sie Wasser schöpfte, einen großen Fisch, den sie dem Armen mit Freuden brachte.

 

Um diese Zeit kamen Gesandte ihres Vaters, der von ihren Leiden gehört hatte, und luden sie ein, an den königlichen Hof zu Budapest zu kommen. Als der ungarische Gesandte sie in der niedrigen Lehmhütte, in gesticktem Kleid, beim Wollspinnen antraf, weinte er bitterlich und sprach: „Hat man je eines Königs Tochter Wolle spinnen sehen? Wer hat euch in dieses Elend versetzt?“ „Niemand – antwortete Elisabeth freundlich – als der reichste Sohn des himmlischen Vaters, der mich durch sein Beispiel gelehrt hat, den Reichtum zu verachten und die Armut mehr zu lieben, als alle Schätze der Welt. Dabei fehlt es mir an nichts und ich bin ganz glücklich. Sagt meinem Vater, er solle sich meinetwegen nicht betrüben, sondern sich vielmehr freuen, dass er eines seiner Kinder im Dienst des Königs des Himmels und der Erde hat. Nur um eins bitte ich, dass er für mich bete und beten lasse, ich will es auch für ihn tun mein Leben lang.“

 

Mehr und mehr schälte sich Elisabeth von der Welt los und teilte ihre Zeit zwischen Gebet und Betrachtung und christlichen Liebeswerken. Öfters erschien ihr ein Engel, der einst zu ihr sprach: „Ich bringe dir keine Krone mehr; denn du leuchtest vor Gott, der dich selbst mit göttlichen Ehren krönen will.“ Oft zeigte sich ihr der göttliche Heiland selbst von Angesicht zu Angesicht und tröstete sie. Erwachte sie aus ihren Verzückungen, dann glänzte ihr Angesicht wunderbar und ihre Augen leuchteten gleich Sonnenstrahlen. Dauerten solche Verzückungen länger, dann bedurfte sie keiner irdischen Nahrung mehr; die heilige Kommunion allein reichte für sie hin. Sie weinte viel, aber es waren mehr Tränen der Wonne, als der Trauer.

 

Die Stunde nahte, nach der sich Elisabeth so lange gesehnt hatte, die Stunde der ewigen Vereinigung mit ihrem himmlischen Bräutigam. Jesus Christus erschien ihr lichtumflossen und sprach zu ihr mit sanfter Stimme: „Komm zu mir, du auserwählte Braut, meine süße, liebe Freundin, gehe ein in die Wohnung, die dir von Ewigkeit bereitet ist. Ich will dich selbst hineinführen.“ Voll Freuden ging Elisabeth noch einmal zu ihren Kranken und Armen, segnete sie und teilte, was sie noch hatte unter sie aus. Dann begab sie sich zu ihrem kranken Beichtvater und nannte ihm die Stunde ihres Todes. Vier Tage später ergriff sie ein heftiges Fieber und quälte sie 14 Tage. Nach Empfang der heiligen Sterbesakramente schenkte sie der treuen Dienerin Guda ihre letzte und liebste Habe, den armen Mantel des heiligen Franziskus und sprach den Wunsch aus, in der Hospitalskirche begraben zu werden. Dann geriet sie in Verzückung, sang wunderbar schön, und ihr Antlitz verklärte sich derart, dass die Umstehenden den Glanz kaum ertragen konnten. Freudig rief sie aus: „O Maria, komm mir zu Hilfe! Der Augenblick ist da, wo der Allmächtige seine Freunde zur Hochzeit ladet. Es naht der Bräutigam, die Braut zu holen.“ Dann hieß sie mit leiser Stimme alle Still sein, neigte ihr Haupt wie zu sanftem Schlummer und ging hinüber zu den Chören der Engel und Heiligen in der Nacht des 19. November 1231. Sogleich verbreitete sich in der Hütte ein außerordentlicher Wohlgeruch und in den Lüften hörte man einen himmlischen Gesang. Die Heilige hatten eben ihr 24. Lebensjahr erreicht.

 

Unbeschreiblich war die Trauer des Volkes und das Wehklagen der Armen über das Hinscheiden ihrer größten Wohltäterin. Die Spuren früherer Leiden waren vom Angesicht der Leiche verschwunden, die Wangen waren sanft gerötet. Unter wunderbarem Gesang aus der Höhe wurde die Leiche begraben. Unzählige Wunder verherrlichten ihren Namen: Blinde wurden sehend, Lahme gehend, Fallsüchtige, Verwachsene, Rasende, Verwundete wurden geheilt, Tote erweckt. Daher erhob sie schon vier Jahre nach ihrem Tod Papst Gregor IX. zur Ehre des Altares. Unbeschreiblich war die Freude des deutschen Volkes über diese Ehre. Mehr, als eine Million Menschen strömten aus den deutschen Ländern, aus Ungarn, Böhmen, Frankreich, Spanien und Italien zusammen, um der Erhebung der Leiche beizuwohnen. Ein lieblicher Wohlgeruch stieg aus dem Grab empor. Der heilige Leib war noch ganz unversehrt. Kaiser Friedrich setzte der Heiligen eine goldene Krone aufs Haupt und führte ihre drei Kinder zum Opfer. Aus den reichen Spenden wurde eine prachtvolle Kirche gebaut. Zu Ehren der heiligen Elisabeth wurden in allen Ländern Europas und selbst jenseits des Meeres Kirchen, Klöster und Spitäler erbaut und noch heute eifert der Elisabethen-Verein der Heiligen in Werken der christlichen Liebe und Barmherzigkeit nach.

 

Trittst du jetzt in die schöne Elisabethen-Kirche zu Marburg, so findest du nicht mehr zahllose Pilgerscharen, du siehst keinen Priester am Altar, in der schönen Grabkapelle bemerkst du noch die Spuren von den Knien der Pilger, aber vergebens suchst du die Gebeine der Heiligen. Ein Nachkomme der heiligen Elisabeth, Landgraf Philipp von Hessen, der vom katholischen Glauben abfiel und Luthers Lehre annahm, riss unter gemeinem Spott und Hohn die Reliquien seiner Ahnfrau aus ihrer Ruhestätte und niemand weiß, wohin sie gekommen sind. Auch auf der Wartburg zeigt sich keine Spur mehr von dem Walten der Heiligen. Doch in dem Herzen des katholischen Volkes lebt die Verehrung der lieben heiligen Elisabeth fort und ihr schönes Beispiel hat schon Tausende zur Nachfolge und dem Weg der christlichen Liebe und des Erbarmens gegenüber Armen und Kranken entflammt. Heilige Elisabeth, bitte für uns, dass wir dir mehr und mehr in Werken christlicher Barmherzigkeit nachfolgen!

 

Die heilige Elisabeth gelangte zu dem hohen Grad der Vollkommenheit, indem sie folgende 12 Lebensregeln ihres Beichtvaters Konrad genau befolgte:

 

1. Ertrage geduldig Verachtung in freiwilliger Armut.

 

2. Lass dir die Armut am Herzen liegen.

 

3. Lass fahren menschlichen Trost und die Lüste des Fleisches.

 

4. Sei barmherzig gegenüber dem Nächsten.

 

5. Danke Gott dafür, dass er dich durch seinen Tod von der Hölle und dem ewigen Tod erlöst hat.

 

6. Trage dein Kreuz in Geduld aus Liebe zum Gekreuzigten.

 

7. Habe Gott stets in deinem Herzen und in deinen Gedanken.

 

8. Weihe Leib und Seele ganz deinem Gott.

 

9. Erinnere dich, dass du ein Geschöpf Gottes bist, und bestrebe dich, ewig mit ihm vereinigt zu werden.

 

10. Was du willst, dass es dir die Menschen tun, tue auch ihnen.

 

11. Denke immer an die Kürze des menschlichen Lebens. Strebe immerfort nach dem himmlischen Leben.

 

12. Bereue stets deine Sünden und flehe zu Gott, dass er sie dir vergebe. 

 

 

Die heilige Elisabeth von Thüringen

 

Von Reinhold Schneider, aus „Die großen Deutschen“, Deutsche Biographie, herausgegeben von Hermann Heimpel, Theodor Heuß und Benno Reifenberg, im Propyläen-Verlag bei Ullstein, Berlin 1956

 

Auf dem Marburger Schrein, der um die Mitte des 13. Jahrhunderts, etwa zwanzig Jahre nach Elisabeths Tod, ihre Gebeine aufnahm, ist ihr Leben in acht entscheidenden Szenen vergegenwärtigt:

Landgraf Ludwig, ihr Gemahl, hält in betenden Händen das Kreuz und lässt sich vom Bischof von Hildesheim weihen;

die Gatten, Ludwig als Pilger gekleidet, sehen einander in der Abschiedsstunde mit wissendem Todesernst in die Augen;

die Witwe streift einem sich duckenden Armen ein Gewand über;

sie empfängt von heimkehrenden Kreuzfahrern den Ring des toten Gatten und in einem Säckchen, das der erste Gepanzerte eben vom Sattel seines Pferdes nimmt, die Gebeine;

sie beugt sich den herandrängenden Armen zu, gebend mit der Rechten, mit der Linken nehmend aus dem Vorrat der Dienerin;

kniend lässt sie sich von einem Priester mit der Kutte des Dritten Ordens des Franziskus bekleiden, so wie sie die Bettler bekleidet hat;

untergehend in der Welt der Armen, kniet sie vor einem trinkenden Aussätzigen, umgeben von Bettlern, die ihre Becher halten;

ganz in Sorge und Liebe verwandelt, speist sie mit dem Löffel einen blinden Greis, umschart von emsig essenden Bettlern.

 

Es ist nichts gesagt von der Geburt der Königstochter in Ungarn (1207), nichts vom Tod in dem von ihr gegründeten Siechenhaus in Marburg (1231), aber Gültigeres kann nicht gesagt werden von der Überfülle der Liebe, des Leidens, der Freude, die in dieses jugendliche Leben gefasst ist und aus ihm noch immer in die Welt strömt. Elisabeth war Fürstin und Heilige, gesegnet und beschwert mit Herrschaften und verzehrt von dem Wunsch, Schwester der Ausgestoßenen, der von Elend Zerstörten, der Unerträglichen zu sein; sie war so sehr Mutter aller – und immer der Erniedrigten –, dass sie Mutter ihrer Kinder nicht mehr sein konnte; in solchem Grad Braut Christi, dass sie es bereute, Gattin des geliebten Gatten geworden zu sein; zwei Schwerter kreuzten sich in ihrem Herzen, aber sie strahlte vor Freude und weinte vor Glückseligkeit.

 

Gaudens in tribulatione: das ist das immer wiederkehrende Zeugnis; ihre unzerstörbare Heiterkeit war nur der Unerschöpflichkeit ihrer Tränen zu vergleichen (lacrimas infinitas); sie ist – das muss zu Anfang gesagt werden – eine in gewisser Hinsicht befremdende, bestürzende Existenz. Ihr Leben lässt sich so wenig ins Idyll verkehren wie das des Franziskus. Sie steht nicht allein in der Landes-, sondern in der Weltgeschichte, und zwar an bedeutender Stelle; und sie steht in der Heilsgeschichte. Die beiden Bereiche sind in ihrem Leben nicht voneinander zu scheiden; die Wirkungen fluten aus dem einen in den anderen hinüber und wieder zurück. Das Weltliche, das Geschichtliche in ernsterem Sinne ruft die Heiligkeit hervor, und die Heiligkeit erweist sich als eine die Geschichte tragende Kraft. Eine Heilige wird für den Gläubigen unermesslich mehr bedeuten als für den, der seinen Glauben nicht teilt und teilen kann; aber auch diesen, der die paradoxen Voraussetzungen der christlichen Existenz nicht annimmt, müsste Elisabeth bewegen. Was die Frau in der Geschichte vermag – und was sie nicht vermag; was ihre wirkliche Berufung ist als geschichtliche Person und in welchem Maße Gang und Bestand der Geschichte auf sie angewiesen sind; das leuchtet in ihr auf. Sie hat nie aufgehört, geschichtliche Person zu sein, auch heute nicht; sie ist noch immer in der Macht, unaufhebbare Gegensätze wenn auch nicht zu versöhnen, doch zu heilen; mit ihr beugt sich das Hohe in die Niedrigkeit; mit ihr steigt das Niedrige empor. Wohl kann und muss zu einer jeden Stunde von einer Wende der Zeit, des Lebensgefühls gesprochen werden; aber in der Spanne, die Elisabeth zugemessen war, sind zwei Machtformen, Papsttum und Kaisertum, zu einem Streit angetreten, dessen Wiederholung zur Natur, zum Kosmos, zum Mitmenschen aufgestiegen, die nicht mehr entbehrt werden können. Vielleicht darf diese Behauptung gewagt werden, wenigstens hinsichtlich der Reinheit und Folgerichtigkeit: In Elisabeth ist die erste gotische Gestalt erschienen – so wie die zu ihren Ehren errichtete Kirche in Marburg die erste gotische Kirche in Deutschland ist. Wir dürfen die Blüten der Legende, die sie umrankt, nicht knicken; sie sind zu innig um sie geschlungen; wohl aber müssen wir sie ein wenig zur Seite biegen, um die Schmerzen zu ahnen, die Elisabeth verschwieg. Nicht die Wunder sind das Wesentliche, sondern die Liebe und der Glaube und die weltgeschichtliche Sendung.

 

 

Die heilige Spinnerin

 

Von Prof. Dr. Nikolaus Welter (Luxemburg)

 

Der Frost knarrt in den Gassen,

Die Wartburg ragt im Schnee.

Ich sitze hier verlassen,

Allein mit meinem Weh.

Durch Tür und Fenster streicht der Wind;

So frier ich feines Königskind.

Dass ich der Not entrinne,

Ich arme verwitwete Herzoginne,

Ich spinne, spinne, spinne.

 

Das war vor vielen Jahren.

Ich kam mit reichem Tross

Aus Ungarn hergefahren

Zu Hermanns Fürstenschloss.

Behüt dich Gott, mein Türingland,

Wo ich die zweite Heimat fand

Zum trauten Herzgewinne.

Nun sitz ich verwitwete Herzoginne

Und spinne, spinne, spinne.

 

O Ludwig, süßer Knabe,

Mein Schirm und meine Lust,

Wie ich geliebt dich habe,

Gott ist`s und dir bewusst.

Ich stets dein Stolz, du stets mein Heil

Und Jesus unser bestes Teil,

Der reine Fürst der Minne.

Nun sitz ich verwitwete Herzoginne

Und spinne, spinne, spinne.

 

Als du zum heil`gen Streite

Entrolltest dein Panier,

Mein Geist flog dir zur Seite,

Dein Herz, es blieb bei mir.

Doch wie du gingst zum Himmel ein,

Den Weg, den machtest du allein,

Drob schwanden mir die Sinne.

Nun sitz ich verwitwete Herzoginne

Und spinne, spinne, spinne.

 

Seit du von uns geschieden,

Ist unser Glück gering.

Der Wolf brach in den Frieden,

Der deinen Herd umfing.

Die Fürstin fleht, ihr Kindlein klagt;

Sie haben uns davongejagt:

Da ward der Not ich inne.

Nun sitz ich verwitwete Herzoginne

Und spinne, spinne, spinne.

 

Der Schnee knarrt in den Gassen,

Die Träne friert im Nord.

Ein Hüttlein steht verlassen,

Da treibt uns niemand fort.

Durch Tür und Fenster streicht der Wind -

So büßte einst der Jungfrau Kind,

Der Welt zum Heilgewinne.

Ich arme verwitwete Herzoginne,

Ich spinne, spinne, spinne.

 

Ihr Kinder, lasst uns scheiden,

Euch brächt` der Winter Tod.

Ich will zu Ende leiden

Die heil`ge Prüfungsnot.

Ich weiß, wo ihr geborgen seid,

Zieht hin, ihr Schäfchen, und gedeiht.

Dass ich der Not entrinne,

Ich arme verwitwete Herzoginne,

Ich spinne, spinne, spinne.

 

Es bringt der Freudelosen

Der Herr des Trosts genug.

Er gab mir rote Rosen,

Da ich nur Speise trug.

Er hüllt einst meine Ärmlichkeit

In seines Himmels Königskleid.

Dass ich mein Heil gewinne,

Ich arme verwitwete Herzoginne,

ich spinne, spinne, spinne.

 

 

Die heilige Elisabeth

 

(Alban Stolz – Der christliche Sternenhimmel, 1915)

 

Die Stadt Marburg ist protestantisch; aber aus der katholischen Zeit her steht dort noch eine sehr schöne gotische Kirche. Obschon auch aus dieser Kirche der katholische Gottesdienst verbannt ist, so sieht man doch an einem Pfeiler noch das Standbild von einer Heiligen, die in der Hand eine kleine Kirche hält, mit der anderen einem Armen zu ihren Füßen Almosen reicht. Desgleichen sieht man auf alten verwahrlosten Bildern verschiedene Begebenheiten dargestellt, bei denen eine junge Frau die Hauptperson spielt. All diese Darstellungen beziehen sich auf die heilige Elisabeth, und die Kirche trägt auch ihren Namen. Ich will nun ihr Leben schreiben; sie ist nur 24 Jahre alt geworden, und doch ist ihr Leben so groß und schön, dass es mir leid ist, die Erzählung nur in wenige Blätter fassen zu müssen.

 

Ein frommer König in Ungarn, Andreas II., bekam ein Töchterlein, welches in der Taufe den Namen „Elisabeth“ erhielt; in unserer Sprache bedeutet das „voll von Gott“. Wie ein sanfter Morgenwind regte sich in dem Kind, als es erst drei Jahre alt war, schon die Liebe zum Almosengeben. Nach der wunderlichen Sitte der damaligen Zeit (um 1200) wurde das Kind schon im vierten Jahr seines Lebens verlobt mit dem jungen Landgrafen Ludwig von Thüringen und wurde nach Eisenach in die Wartburg gebracht, um neben ihrem künftigen Bräutigam erzogen zu werden.

 

Das liebe Kind konnte noch nicht lesen und zeigte doch schon solche Frömmigkeit, dass es gar viel in die Schlosskapelle ging, ein großes Psalmbuch aufschlug, mit gefalteten Händlein zum Himmel aufblickte und in einer kindlichen Andacht verweilte, die wir arme Sünder so wenig begreifen wie die ewige Anbetung der himmlischen Engel. Das Kind fand so sehr die verlorene Heimat in der Kirche, dass es die Tür und das Schloss daran und die Mauer küsste, wenn sie verschlossen war. Man hatte noch einige Mädchen von gleichem Alter und vornehmem Geschlecht der kleinen Prinzessin zu Gespielen und Mitschülerinnen beigegeben. Wenn sie mit diesen um einen Preis spielte und etwas gewann, gab sie es armen Mädchen, mit der Bedingung, eine bestimmte Zahl Vaterunser zu beten. Auch sonst alles Geld, das sie von ihren künftigen Schwiegereltern bekam, teilte sie unter die Armen aus und bettelte deshalb oft, um desto mehr geben zu können. Wenn Elisabeth mit dem vielen Gebet, das sie zu verrichten Pflegte, am Tag nicht fertig werden konnte, so betete sie für das Versäumte noch im Bett, während die Dienerinnen meinten, sie schlafe schon lange.

 

Schon als Kind war Elisabeth sorgfältig bemüht, den Namen Gottes nie unehrerbietig auszusprechen. An Sonn- und Feiertagen wollte sie Gott ein Opfer der Demut bringen, indem sie irgend einen für ihren Stand gebräuchlichen Putz, z.B. Handschuhe, nicht anlegte. Insbesondere fühlte Elisabeth in früher Kindheit schon, welch großen Wert für ein christliches Leben die Selbstverleugnung habe. War sie beim Spielen glücklich und freute sich darüber, so hörte sie plötzlich auf und sagte: „Jetzt will ich Gott zulieb aufhören.“ Die Tänze waren damals viel unschuldiger als jetzt, man wusste nichts von unehrbaren Tänzen; wenn aber die kleine Elisabeth einmal herumgetanzt hatte, so sagte sie: „Ein Rundtanz ist genug für die Welt, die anderen unterlasse ich zu Ehren Christi.“

 

Die heilige Elisabeth hat in der Kindheit von selbst gefunden, was der Seele zuträglich ist; Gott und ihr Schutzengel haben das Kind von inwendig heraus erzogen. Dies tut Gott und der Schutzengel zwar auch bei anderen Kindern in gewissem Grad, aber gewöhnlich ist den Eltern ein Hauptteil von dem zugewiesen, was für das Heil der Kinder notwendig ist. Was das Kind Elisabeth durch göttliche Eingebung selber tat, das sollten die Eltern sorgfältig bei ihren Kindern anpflanzen. Sie sollten sie mancherlei Gebete lehren und anhalten, nie zu Bett zu gehen, ohne ihre Gebetspflicht vollständig erfüllt zu haben. Sie sollen die Kinder zur Barmherzigkeit anhalten, das Almosen durch die Kinder geben und sie aufmuntern, von ihrem kleinen Besitz andern Geschenke zu machen. Dann sind auch sehr junge Kinder schon zur Selbstverleugnung bereit, wenn ihnen die Eltern zeigen, wie der Mensch freiwillig etwas unterlassen kann, wozu er Lust hat, z.B. noch mehr zu essen, etwas zu sagen; und wie man freiwillig etwas tun kann, was einem unangenehm ist, z.B. bei großer Kälte in die Kirche gehen. Wenn das Kind weiß, dass Gott ein Wohlgefallen an solchen Selbstverleugnungen hat und die eigene Seele davon stark wird, so ist es oft eifriger und tapferer darin, wie die meisten erwachsenen Menschen.

 

Bald gingen für das arme Mägdelein auch die Leiden an. Die Mutter und Schwester hatten einen Widerwillen gegen die große Frömmigkeit, den demütigen Anzug und das eingezogene Benehmen der jungen Elisabeth. Sie verspotteten sie oft und suchten den jungen Regenten zu bereden, sie nach Hause zu schicken und eine andere Prinzessin zu nehmen, die sich fürstlicher zu benehmen wisse. Die übrigen Hofleute zeigten gleichfalls bei solchen Umständen gegen das verlassene Mädchen Verachtung und Spott. Einmal ging Elisabeth mit den beiden Fürstinnen nach Eisenach in die Kirche; es war Mariä Himmelfahrt, deshalb hatten alle drei die schönsten Kleider an und goldene Kronen auf. Sie knieten auf einen Betstuhl vor einem großen Kruzifix; da nahm die junge Königstochter die Krone von ihrem Haupt und warf sich anbetend auf die Erde nieder. Die Landgräfin fing an zu schelten, ob sie eine Närrin sei, dass sie wie eine alte Nonne oder ein müder Gaul auf die Erde falle, ob ihr die Krone zu schwer sei? - Elisabeth richtete sich auf und sprach: „Liebe Frau, nehmt es nicht übel. Hier sehe ich den barmherzigen, süßen und milden Heiland mit Dornen gekrönt. Es wäre gegen ihn ein Spott, wenn ich vor ihm stehen bliebe mit einer Krone von Perlen, Gold und Edelsteinen.“ Darauf beugte sie sich wieder betend und weinend zur Erde nieder. - So keimte und blühte die unschuldige Elisabeth unter Trübsalen wie die Lilie unter Dornen und duftete den Wohlgeruch der Demut und Geduld aus.

 

Außer Gott hatte Elisabeth noch den Trost, dass sich der Landgraf nicht von der angelobten Liebe und Treue abbringen ließ; er verehelichte sich wirklich mit ihr, als er 18 Jahre alt war und Elisabeth kaum aufgehört hatte, den Jahren nach ein Kind zu sein. Ludwig aber hatte alle Eigenschaften, die ein Ehegemahl nur wünschen kann; er war nicht nur ausgezeichnet schön, freundlich und überall hochgeachtet, sondern auch einer der tugendhaftesten Fürsten aller Zeiten. Es konnte daher nicht anders kommen, als dass beide miteinander die schönste christliche Ehe führten und sich wechselseitig in der Gottseligkeit zur Vollkommenheit aneiferten. So oft der Landgraf längere Zeit in Geschäften abwesend sein musste, legte Elisabeth Witwenkleider an und führte ein strenges Büßerleben, kam er zurück, so schmückte sie sich wieder, wie es in ihrem hohen Stand üblich war. Sie tat das, um ihrem Ehegatten nicht zu missfallen, keineswegs aus Eitelkeit. Später beseitigte sie auch sonst allen prachtvollen Anzug, wo es nicht gerade die Umstände notwendig machten. Sie war zu diesem Entschluss gekommen nach einem Kirchgang, als sie des Festtages wegen sehr prächtig gekleidet in der Kirche erschienen war. Hier nahm sie sich dann bei dem Anblick eines Kruzifixes so schwer den Unterschied ihres Aufzuges und die Blöße des Heilandes zu Herzen, dass sie ohnmächtig davon wurde. Ja, die Liebe zur Armut wuchs so sehr in ihrem Herzen, dass sie manchmal bei ihren Kammerfrauen wie eine Bettlerin gekleidet sich zeigte und prophezeite: „So werde ich umhergehen, wenn ich um Gottes willen arm und elend sein werde.“

 

Während Elisabeth sehr streng gegen ihren eigenen Leib war, so dass sie manchmal nur trockenes Brot aß, mitten in der Nacht zum Gebet aufstand, ein härenes Bußhemd auf dem bloßen Leib trug, so war sie unendlich gütig gegenüber Armen und Kranken und wurde deshalb bald allgemein die Beschützerin der Armen genannt. Sie verwandte nicht nur allen Überfluss an diese, sondern beraubte sich oft ihrer eigenen Kleider, um Notleidenden zu helfen. Sie ging selbst in die ärmsten und unsaubersten Hütten, um das menschliche Elend aufzusuchen, ja, sie betrat sie gleichsam mit Andacht und brachte nicht nur Erquickung für den Leib, sondern auch für die Seele durch ihr liebevolles, gottseliges Zusprechen. Wenn ein Armer starb, ging sie nicht nur mit der Leiche, sondern wachte manchmal bei dem Leichnam. Zuhause verwandte sie ihre freie Zeit besonders dazu, um mit ihren Kammerfrauen Kleider für Arme zu verfertigen. Am meisten aber zeigte Elisabeth die Größe ihrer christlichen Liebe an den Aussätzigen. Wo die geringste Magd einen solchen Unglücklichen aus Abscheu und Entsetzen nicht berühren wollte, da verpflegte und wusch die junge Fürstin diese, als wäre sie ihre leibliche Mutter. In der Kirche zu Marburg sieht man auch ein Bild, wie ein Fürst die Decke vom Bett reißt und den Heiland am Kreuz drin liegen sieht. Es soll an ein Ereignis im Leben der heiligen Elisabeth erinnern. Sie hatte nämlich gerade wieder einen kleinen Aussätzigen, der sich in einem jämmerlichen Zustand befand, gereinigt, gesalbt und verbunden und ihn in das Ehebett gelegt. Da kam der Landgraf gerade von einer Reise zurück; sogleich führte ihn seine Mutter ins Schlafgemach und sagte: „Sieh`, deine Frau legt Aussätzige in dein eigenes Bett, ohne dass ich es hindern konnte, sie will dich selbst aussätzig machen.“ In augenblicklichem Unwillen riss der Landgraf rasch die Decke von seinem Bett. Da öffnete aber Gott plötzlich sein inneres Auge so, dass er statt des Aussätzigen den Gekreuzigten im Bett liegen sah, d.h. er erkannte plötzlich mit dem Auge des Glaubens, dass das, was einem solchen Armseligen getan wird, dem Heiland selbst getan ist. Darauf sprach er zu Elisabeth: „Liebe Schwester, solche Güte sollst du mir recht viel ins Bett legen, das ist mir ganz recht.“ Elisabeth benützte diese gute Stimmung des Landgrafen zur Bitte, ein Hospital stiften zu dürfen, in welches sie jeden Tag selbst Speise und Trank brachte. Als später eine Hungersnot im Land ausbrach, da waren die Werke der Barmherzigkeit, die Elisabeth an den Armen, Kranken, Gefangenen ausübte, so zahllos und mannigfaltig, dass eine Beschreibung davon hier zu viel Raum einnehmen würde. Oft betete sie bei der mühsamsten Verpflegung ekelhafter Notleidenden: „O Herr, ich kann dir nicht genug danken, dass du mir gestattest, diese armen Menschen, deine liebsten Freunde, aufzunehmen und sie auf diese Weise zu verpflegen.“

 

In dem Jahr, da Elisabeth geboren wurde (1207), geschah die Wiedergeburt des heiligen Franziskus von Assisi. Es gab aber nicht wohl zwei Personen, die unter den ungleichsten Lebensverhältnissen eine gleichmäßigere Gesinnung hatten in Liebe zur Armut, in Demut und Gottseligkeit, als der heilige Franziskus und die heilige Elisabeth. Sie war auch die erste Person, die in Deutschland in den dritten Orden eintrat und seine Übungen annahm.

 

Elisabeth bekam in ihrer glücklichen Ehe einen Knaben und drei Mädchen. So oft sie den ersten Ausgang nach der Geburt eines Kindes machte, ging sie barfuß, in einem wollenen Kleid heimlich den steinernen Weg hinab und trug ihr Neugeborenes in die Katharinenkirche von Eisenach. Dort legte sie es mit einem Wachslicht und einem Lämmlein auf den Altar und sprach ein Gebet, worin sie dem Heiland und der Mutter Gottes das Kind aufopferte und Gott um seinen heiligen Segen für das Kind anflehte, dass es gut und treu dem Herrn dienen möge.

Nun sollten aber auch an der gottgeliebten jungen Frau die Worte der Schrift sich erfüllen: „Wen Gott lieb hat, den züchtigt er, und er schlägt einen jeden, den er als Kind annimmt.“ Der fromme Gemahl der heiligen Elisabeth hatte sich um der Liebe Christi willen auch entschlossen, den Kreuzzug mitzumachen, um das heilige Grab den Händen der Ungläubigen zu entreißen. Elisabeth erschrak zuerst, so dass sie zu Boden sank, dann aber opferte sie sich und ihren Gemahl Gott auf. Mit unendlichem Schmerz trennten sich beide; ihre kleinen Kinder riefen ihm beim Abschied die Worte zu: „Gute Nacht, lieber Vater; viel tausend gute Nacht, herzgoldiger Vater!“ Ja, wohl habt ihr armen Kinder richtig gesprochen: gute Nacht; denn der Vater starb schon auf der Reise, da er noch nicht weiter als nach Italien gekommen war. Die verwitwete Elisabeth war erst mit ihrem letzten Kind niedergekommen, als ihr die Todesnachricht gebracht wurde. In einem alten Lied aus jener Zeit heißt es von ihr:

 

„Da wurde sy und darnach rodt,

Die Arm fylen ir in den Schos,

Dy Hende sie ineinander schloß,

Ach Herre Got, ach Herre Got, sy sprach,

Nu ist mir alle dy Welt todt.“

 

Bald nach dieser Todesanzeige wurde gegen die liebreichste Fürstin der Welt eine unmenschliche Grausamkeit verübt. Die beiden Schwager wollten die Herrschaft über das Land an sich reißen und entschlossen sich deshalb, die Witwe ihres Bruders samt den Kindern aus dem Land zu vertreiben. Mit Schimpfreden wurde sie aus der Wartburg ausgetrieben; man erlaubte ihr nicht einmal das Geringste mit sich zu nehmen, außer den Kindern und zwei treuen Dienerinnen. Mitten im harten Winter musste die junge fürstliche Witwe zu Fuß den rauen Weg zur Stadt Eisenach hinabsteigen. Hier hatte sie unermessliche Wohltaten jahrelang gespendet, aber von allen Türen, wo die bisherige Landesfürstin einkehren wollte, wurde sie abgewiesen, wie man nicht die elendste Bettlerin abweist; denn ihr schändlicher Schwager, Landgraf Heinrich, hatte streng verboten, sie aufzunehmen. - Dreihundert Jahre später widerfuhr der Person des Heilandes auf der Wartburg und in Eisenach das gleiche, was seiner treuen Magd Elisabeth daselbst geschehen war; er wurde ausgetrieben im heiligen Altarsakrament und fand dort bei niemand mehr Einkehr. In der Wartburg nämlich saß Luther, und Eisenach wurde ein Hauptsitz des Protestantismus.

 

Da stand die arme Königstochter mit vier Kindern in der Winterkälte weinend auf der Straße, und kein Mensch erbarmte sich ihrer. Sie versuchte es noch bei einem elenden Wirtshaus, weil jedermann da Zulass hat; der Wirt, wahrscheinlich um nicht in Ungnade zu fallen, wies ihr einen schlechten Stall zum Übernachten an, worin altes Gerümpel und Schweine waren. Da die Fürstin hier im tiefstem Schmerz und Erniedrigung saß, berührte der Finger Gottes ihre Seele; es kam auf einmal eine himmlische Ruhe und Freude über sie. Indem sie bis Mitternacht voll übernatürlichen Trostes dasaß, hörte sie läuten, es kam von dem Franziskanerkloster, welches sie in den früheren Jahren gegründet hatte. Alsbald ging sie dort in die Kirche und bat nach vollendetem Gottesdienst die Mönche, sie möchten das Tedeum singen für die Trübsale, womit Gott sie begnadet habe. Mit lauter Stimme dankte sie dem Herrn, dass sie nun arm und entblößt sei, wie er selbst in der Krippe zu Bethlehem gewesen war.

 

Bald fing aber neuer Jammer an, als sie die armen Kinder anschaute, die über Frieren und Hunger klagten, und sie wusste nach einigen Tagen keinen anderen Rat mehr, als dass sie tat, was einem Mutterherzen unendlich weh tut. Um die ganz kleinen Kinder nicht zugrunde gehen zu lassen, gab sie sie in einige entfernte Orte, wo mitleidige Personen sich anboten, sie zu ernähren. Sie selber suchte sich mit Spinnen ihren Unterhalt zu verdienen, und selbst von diesem armseligen Verdienst gab sie noch Almosen, so sehr war es ihr Bedürfnis, wohlzutun. Je ärmer aber Elisabeth äußerlich geworden war, desto reicher wurde sie innerlich. Sie hatte häufig göttliche Tröstungen und himmlische Erscheinungen.

 

Endlich erfuhr der Bischof von Bamberg, der Bruder ihrer verstorbenen Mutter, diese Bedrängnis, nahm Elisabeth samt ihren Kindern zu sich und gab ihr das Schloss Bodenstein zur Wohnung nebst gehörigem Lebensunterhalt. Während dieser Zeit geschah es, dass die Kreuzritter aus dem Morgenland zurückkehrten. Als die Thüringer in Italien landeten, gruben sie den Leichnam ihres Herrn aus, um ihn in die Heimat zu bringen. Seine Gebeine waren schneeweiß und wurden in einem Sarg auf einem Pferd fortgeführt. Als sie in Bamberg angekommen waren und vor Elisabeth der Sarg geöffnet wurde, warf sie sich mit glühendem Schmerz und Liebe über die Gebeine und küsste sie mit tausend Tränen. Endlich aber fasste sie sich im Aufblick zu Gott und sprach die schönen Worte heiliger Ergebung: „Du weißt, mein Gott, wie sehr ich meinen Mann geliebt, und dass ich seine teure Gegenwart tausendmal allen Freuden der Welt vorgezogen hätte. Aber gegen deinen Willen möchte ich ihn auch nicht um den Preis eines Haares wieder ins Leben zurückrufen; ich empfehle ihn und mich deiner Gnade, dein Wille geschehe an uns.“

 

Als die Kreuzritter von Thüringen nach Eisenach und der Wartburg gekommen waren, machten sie dem Landgrafen Heinrich bittere Vorwürfe über sein niederträchtiges Benehmen gegen die Witwe seines Bruders. Der Fürst entschuldigte sich, schlechte Ratgeber hätten ihn aufgehetzt, und er sei bereit, alles wieder gut zu machen. Als er nun von den Rittern zu Elisabeth geführt wurde, bat er sie um Gottes willen, ihm alles zu verzeihen. Elisabeth konnte kein Wort reden, sondern fing an bitterlich zu weinen, so dass auch der Landgraf und die tapferen Ritter in Tränen ausbrachen. Es wurde dann alles friedsam geordnet und Elisabeth wieder als Herrin in die Wartburg eingeführt.

 

Doch sagte es ihrem Gemüt auf die Dauer nicht zu, an einem fürstlichen Hof in Ansehen und Übermaß zu leben. Die Armut und Niedrigkeit, in die sie gewaltsam gestoßen worden, war ihr lieb, sie fühlte sich dort dem Heiland näher. Darum wollte sie freiwillig jetzt dorthin zurückkehren. Elisabeth zog in die Stadt Marburg und ließ sich daselbst ein ganz geringes Häuschen neben dem Franziskanerkloster herrichten, um als wahre Franziskanerin zu leben. Sie ließ sich förmlich dazu einkleiden; es wurde ihr das Haar abgeschnitten, ein graues Kleid mit einem Strick umgürtet war ihr Anzug und von nun an ging sie stets barfuß; die Einkünfte, die sie auf Befehl des Beichtvaters behalten musste, verwandte sie zu Wohltaten und was sie selbst brauchte, verdiente sie sich durch Wollespinnen. Gewöhnlich aß sie nur Gemüse, das sie sich selbst und zwar ohne Salz kochte. Bei dieser armseligen Lebensart zeigte sie aber stets große Heiterkeit und Sanftmut. In dem Krankenhaus, welches sie zu Marburg erbauen ließ, übte sie die schwersten und niedrigsten Dienste; besonders suchte sie die ekelhaftesten Kranken auf, zu denen niemand wollte, verpflegte sie auf das Freundlichste und küsste selbst ihre Wunden und Geschwüre. Außerdem ging sie in die ärmsten Häuser, um Arme und Kranke aufzusuchen und zu verpflegen. In ihrer eigenen Wohnung verpflegte sie einen lahmen, blinden Knaben, der fortwährend Blutfluss hatte und wachte ganze Nächte bei ihm. Nach dessen Tod nahm sie ein aussätziges Mädchen zu sich, das so abscheulich aussah, dass man es kaum ansehen konnte. Diesem machte Elisabeth ein Bett neben dem ihrigen und erwies ihm die mütterlichste Zärtlichkeit.

 

Endlich nach langer Zeit kam durch Pilger die Kunde von dem armseligen Zustand seiner Tochter an den König von Ungarn. Höchst bestürzt sandte er alsbald einen Grafen mit zahlreichem Gefolge ab. Zuerst kam die Gesandtschaft zur Wartburg zum Landgrafen Heinrich. Dieser erklärte, dass Elisabeth eine Närrin sei, die freiwillig nur mit Bettlern und Aussätzigen lebe. Als der Graf nun seines Königs Tochter in einer elenden Kammer mit zerflicktem Rock Wolle spinnen sah, entsetzte er sich so sehr, dass er zuerst kein Wort hervorbrachte und nur das Kreuz machte. Alles Zureden aber, Elisabeth solle nach Ungarn zu ihrem Vater zurückkehren, war vergeblich. Die Antwort der Heiligen lässt sich in die Worte des Breviers zusammenfassen: „Das Reich der Welt und alle Herrlichkeit dieser Zeit habe ich verachtet wegen der Liebe meines Herrn Jesus Christus, den ich geschaut, den ich geliebt, an den ich geglaubt, den ich auserwählt habe.“

 

Elisabeth hatte ihrem Beichtvater vollkommenen Gehorsam gelobt und wurde darin auf harte Proben gestellt. Da der strenge und sonderbare Beichtvater bemerkte, dass ihre größte Leidenschaft war, den Armen möglichst viel zu geben, befahl er ihr, nie mehr als einen Pfennig zu geben. Elisabeth wollte den Gehorsam und ihren Wohltätigkeitstrieb vereinigen und sagte den Armen, sie sollten mehrmals am Tag kommen. Als der Beichtvater diese fromme List erfuhr, gab er der Fürstin Ohrfeigen. Sie duldete das gern, weil auch der Herr geschlagen wurde. Zuletzt verbot er ihr jede Gattung von Almosen. Weil aber die heilige Elisabeth nicht leben konnte ohne Werke der Barmherzigkeit, so diente sie desto eifriger den Kranken und leistete ihnen mit größter Liebe alle Dienste, vor denen sonst die niedrigste Magd Widerwillen oder Ekel hat. - Später entfernte der Beichtvater ihre zwei treuen Freundinnen, Ysentrud und Guda, die in allem Elend bei Elisabeth ausgeharrt hatten. Diese Trennung war über alle Maßen schmerzlich. Elisabeth meinte, es zerreiße ihr das Herz – dennoch gehorchte sie ohne Murren. Der Beichtvater gab ihr dafür zwei andere Personen ins Haus, die eine roh, grob und überaus hässlich, die andere taub, wunderlich und tückisch. Er wollte die heilige Elisabeth dadurch in Geduld und Demut üben, und wirklich unterwarf sich Elisabeth diesen gemeinen Weibern, als wäre sie ihre Magd.

 

Die mannigfachen Wunder, die Gott schon zu Lebzeiten seiner geliebten Dienerin auf deren Gebet wirkte, dann die Erscheinungen, womit sie begnadigt wurde, muss ich hier übergehen und dafür nur noch ihr glückseliges Ende erzählen. Als sie 24 Jahre alt war, kündigte ihr der Heiland in schöner, freundlicher Weise an, dass sie jetzt zu ihm kommen solle. Einige Tage darauf wurde sie krank. Während die kranke Elisabeth einst das Gesicht gegen die Wand gekehrt hatte, hörte die eine Dienerin einen ungemein süßen, lieblichen Gesang. Die Dienerin fragte nachher, was dies gewesen sei. Elisabeth sagte: „Es ist zwischen mir und der Wand ein schöner Vogel gesessen und hat mir so süß vorgesungen, dass ich vor Freude mitsingen musste. Der schöne Vogel hat mir auch geoffenbart, dass ich nun am dritten Tag sterben soll.“ - So geschah es dann auch, und man kann nirgends ein lieblicheres Sterben lesen, als der umständliche Bericht über deren Tod erzählt. Es war ein Sterben in lauter Freude und Frohlocken. Im Augenblick, da sie starb, verbreitete sich wunderbarer Wohlgeruch in der Hütte und man hörte ein wunderbares Singen in der Luft.

 

Was ich von dem schönen Leben und Sterben der heiligen Elisabeth erzählt habe, ist für uns arme Sünder größtenteils so hoch, wie wenn man hoch in der Luft über alle Berge hinaus einen Adler schweben sieht. So gut und lieb alles ist, was sie getan hat, so schwer und unerschwinglich will es uns vorkommen. Doch geht dies eben auch nicht, dass wir nur mutlos und tatlos die hohe Tugend der heiligen Elisabeth anstaunen. Etwas ist in ihrem Leben erzählt, das kann jeder von uns nachahmen, er mag sonst noch so weit abstehen von dieser gleichsam wie ein Blümchen aus dem Lebensgarten der lieben Elisabeth. Als nämlich Elisabeth ins tiefste Elend verstoßen um Mitternacht in der Franziskanerkirche war, begehrte sie, dass das Tedeum zum Lob Gottes gesungen werde. Mache es in Zukunft auch so. Wenn dir ein schweres Leid widerfahren ist oder ein Kreuz dich besonders schwer drückt, da nimm dich zusammen und zwinge deine trübselige Seele zum Lob Gottes, bete das Tedeum, weil das Lob Gottes im Leiden unendlich kostbar ist. Ich will deshalb das Tedeum der katholischen Kirche wörtlich hersetzen. Schlage im Kreuz dann nur allemal das Leben der heiligen Elisabeth auf und bete also:

 

Dich, Gott, loben wir,

dich, Herr, preisen wir.

Dir, dem ewigen Vater,

huldigt das Erdenrund.

Dir rufen die Engel alle,

dir Himmel und Mächte insgesamt,

die Kerubim dir und die Serafim,

mit niemals endender Stimme zu:

Heilig, heilig, heilig

der Herr, der Gott der Scharen!

Voll sind Himmel und Erde

von deiner hohen Herrlichkeit.

Dich preist der glorreiche Chor der Apostel;

dich der Propheten lobwürdige Zahl;

dich der Märtyrer leuchtendes Heer;

dich preist über das Erdenrund

die heilige Kirche;

dich, den Vater unermessbarer Majestät;

deinen wahren und einzigen Sohn;

und den Heiligen Fürsprecher Geist.

Du König der Herrlichkeit, Christus.

Du bist des Vaters allewiger Sohn.

Du hast der Jungfrau Schoß nicht verschmäht,

bist Mensch geworden,

den Menschen zu befreien.

Du hast bezwungen des Todes Stachel

und denen, die glauben,

die Reiche der Himmel aufgetan.

Du sitzest zur Rechten Gottes

in deines Vaters Herrlichkeit.

Als Richter, so glauben wir,

kehrst du einst wieder.

Dich bitten wir denn,

komm deinen Dienern zu Hilfe,

die du erlöst mit kostbarem Blut.

In der ewigen Herrlichkeit

zähle uns deinen Heiligen zu.

Rette dein Volk, o Herr,

und segne dein Erbe;

und führe sie

und erhebe sie bis in Ewigkeit.

An jedem Tag benedeien wir dich

und loben in Ewigkeit deinen Namen,

ja, in der ewigen Ewigkeit.

In Gnaden wollest du, Herr,

an diesem Tag uns ohne Schuld bewahren.

Erbarme dich unser, o Herr,

erbarme dich unser.

Lass über uns dein Erbarmen geschehn,

wie wir gehofft auf dich.

Auf dich, o Herr,

habe ich meine Hoffnung gesetzt.

In Ewigkeit werde ich nicht zuschanden.

 

Gott loben im Glück ist Silber, ihn loben in der Trübsal ist pures Gold.