Ehrwürdiger Jakob Rem, Ordensmann SJ, Priester, Mystiker, + 12.10.1618 – Gedächtnis: 12. Oktober

 

Eine unschuldsvolle, „lichte Seele“, rein und ungetrübt im Glanz der Taufunschuld bis zum Ende, ein kindlich ergebener, gewissenhaft treuer Diener seines Herrn, ein „stiller Heiliger“ war der ehrwürdige Jakob Rem, ein echter Jünger des heiligen Ignatius. Wohl gehören die Jahre seines Erdenwandels schon einer früheren Zeit an, aber wohlbekannt und vertraut und in unserer Zeit neu geliebt und gepflegt sind uns besonders die marianischen Kongregationen, deren sorglichster Hüter und Förderer er zeitlebens gewesen ist. Deshalb soll der Gottselige auch uns wert und vertraut sein!

 

Rems Heimat ist das schöne Bregenz am Bodensee, wo er 1546 das Licht der Welt erblickte. Schon seine Kindheit ist durch Frömmigkeit und Gottesfurcht ausgezeichnet. Seine höhere Bildung erhielt er auf der Hochschule zu Dillingen, wo er den üblichen Studien der alten Sprachen und des griechischen und römischen Altertums sowie der Rhetorik, der Redekunst, oblag. Schon stand er im ersten Kurs der Theologie, als er den Ruf Gottes zur Gesellschaft Jesu in sich verspürte und ihm freudig Folge leistete. Hat ihm der heilige Petrus Canisius den Keim des Berufes ins Herz gesenkt? Wenigstens konnte Rem damals, 1564, den großen deutschen Mann reden hören und bewundern lernen, als er zur Übernahme der Universität Dillingen als Oberer der oberdeutschen Ordensprovinz dorthin gekommen war. Ende August 1566 wurde der Ordenskandidat nach Rom ins Noviziat geschickt. Somit war er einer der ersten, die aus Deutschland in die Gesellschaft Jesu eingetreten sind und ihr Noviziat in der Hauptstadt der Christenheit machen konnten. Gleich an der Schwelle des Ordenslebens hatte Rem eine Prüfung ungewöhnlicher Art zu bestehen. Es ist im Orden Gebrauch, die Neueintretenden einem Novizen anzuvertrauen, dem sogenannten Schutzengel, der sie in die Ordnung und die Gewohnheiten des Hauses einzuführen hat. Jakobs Hüter scheint nun seinen Engelsdienst nicht gerade mit engelgleicher Pünktlichkeit versehen zu haben. Er vergaß, was für einen jungen Menschen, wenn er auch ein noch so idealer, dem Höchsten zugekehrter Ordenspostulant sein mag, doch nicht ganz aus der Tagesordnung tilgbar ist, nämlich den Neuankömmling zu Tisch zu rufen. Ja nicht nur am ersten Tag, auch am zweiten und noch am dritten Tag wurde der schüchterne Deutsche, der sich vermutlich auch in der Landessprache noch nicht sicher ausdrücken konnte, übersehen. Wohl fühlte der junge Student heftigen Hunger. Er konnte auch nicht der Meinung sein, dass ein echter Jesuit, gleich dem göttlichen Meister, zum heilsamen Beginn eine vollständige vierzigtägige Fasten durchmachen müsste. Aber bescheiden und geduldig schwieg er und überließ alles Weitere vertrauensvoll seinem besseren Schutzengel im Himmel, der ihn nicht vergessen würde. Gott der Herr belohnte diese kindliche Bescheidenheit und Selbstbeherrschung in ungewöhnlicher Weise. Seitdem konnte nämlich Jakob Rem die Esslust mit der größten Leichtigkeit beherrschen. Als zweite Gnade aus jenen Jahren war es ihm vergönnt, eine Zeitlang mit dem heiligen Stanislaus unter einem Dach zu wohnen und mit ihm in jeder Tugend zu wetteifern. Überdies genoss der glückliche Novize die Nähe des heiligen Papstes Pius V., des heiligen Ordensgenerals Franz Borgias und wurde abermals durch Ansprachen des heiligen Canisius belehrt.

 

Nach seiner Rückkehr in die deutsche Heimat vollendete Rem seine theologischen Studien in Dillingen und genoss die Erfüllung seiner frommen Jugendsehnsucht, die bischöfliche Handauflegung und Salbung zum Priester zu empfangen. Hierauf wurde er gleich, fast für die ganze übrige Zeit seines langen Lebens, in den Konvikten zu Dillingen und Ingolstadt mit dem Amt der Jugenderziehung als zweiter Vorstand (Subregens) betraut. So groß und schön erschien seinem gläubigen Gemüt und idealen Sinn diese Aufgabe, dass er unablässig seine ganze Kraft dafür einsetzte. Als eines der anziehendsten Mittel hierzu dienten ihm die marianischen Kongregationen, die er bei seinem Aufenthalt in Rom kennen gelernt hatte.

 

Den ersten Versuch machte Pater Rem im Jahr 1575. Die Zug- und Werbekraft der Kongregation war eine derartige, dass schon im folgenden Jahr bei der großen Zunahme der Mitglieder die eine Kongregation in zwei Abteilungen geschieden werden musste. An den Sonntagen und hohen Festtagen der Gottesmutter sammelte der Präses seine Schar um den Altar der seligsten Jungfrau. Hier entströmten seinem Mund und Herzen, feurige, zündende Worte, die nicht verfehlten Abscheu vor der Sünde, Liebe zu Maria und Treue im katholischen Glauben zu wecken. Und schon beschränkte sich die Begeisterung und der fromme Eifer in der Verehrung und Nachfolge Mariens nicht mehr auf Dillingen allein. Allenthalben in den benachbarten Kollegien von München, zu Ingolstadt, Innsbruck, Hall in Tirol, in Luzern und wo immer ein Kolleg errichtet wurde, fand auch der Gedanke der marianischen Kongregationen Widerhall. Mit fünfundzwanzig Mitgliedern hat Pater Rem angefangen. Im Jahr 1727 zählte man in der oberdeutschen Ordensprovinz 30.000 Kongregationen.

 

Gut sterben ist das Notwendigste und Beste, was ein guter Christ lernen muss. Und gut zu sterben wussten die Zöglinge des trefflichen Führers zur Tugend. Johannes de Prato, der Sprössling einer vornehmen Familie aus Trient in Südtirol, war noch kaum einen Tag krank gelegen, als er nach den Sterbesakramenten verlangte. Man erteilte sie ihm. Darauf schlief er ein. Als er wieder erwachte, sagte er zu dem Pater, der an seinem Bett saß, mit schwacher Stimme: „O Pater, was habe ich doch Schönes gesehen!“ Gefragt, was er denn gesehen habe, antwortete Prato: „Ich sah eine wunderschöne Tafel, und auf der Tafel zeigte mir die allerseligste Jungfrau meinen Namen und die Namen der meisten Sodalen mit Gold geschrieben und gab mir die sicherste Hoffnung, dass ich in den Himmel kommen werde. In der sicheren Erwartung des Himmels ekelt mich dieses Leben an.“ So starb der fromme Student.

 

Im Jahr 1584 wurde Pater Rem nach München versetzt, wo er wieder mit der Erziehung der Jugend im Konvikt des heiligen Michael betraut wurde. Der dortigen „lateinischen“ (Studenten-) Kongregation stand als Präfekt der elfjährige Erbprinz Maximilian vor, der im wilden Sturm des Dreißigjährigen Krieges der Retter der heiligen Kirche in Bayern werden sollte. Doch schon nach zwei Jahren wurde Rem nach Ingolstadt gerufen, seinem letzten Bestimmungsort, wo er zweiunddreißig Jahre hindurch als Subregens, Beichtvater und Kongregationspräses eine reichgesegnete Tätigkeit entfaltete. Unter seiner väterlichen Obsorge erblühte hier vor dem Bild Mariens, der „dreimal wunderbaren Mutter“, das eine Nachbildung von Maria der Größeren in Rom und ein Geschenk des heiligen Franz Borgias war, das religiöse Leben der Jugend durch die Verehrung und treue Nachahmung der allerseligsten Jungfrau zu einer hohen Stufe der Vollendung. Die Vereinigung, die durch gegenseitige Aussprache und Aneiferung ein frommes Seelenleben beförderte, erhielt den Namen Colloquium Marianum (marianische Unterredung, Besprechungsstunde). Als Grundbedingung der Angehörigkeit hierzu wurde gefordert, dass nur jene Jünglinge Mitglieder sein können, die frei von schwerer Sünde wären. Ein Mitglied, das das Unglück hätte, in eine Todsünde zu fallen, sollte im gleichen Augenblick vom Colloquium losgetrennt sein. Die Lostrennung sollte so lange Bestand haben, bis die Todsünde durch eine Beicht oder einen Akt der vollkommenen Reue getilgt wäre. Liebe und Verehrung Mariens ist eben ganz unvereinbar mit Sünde.

 

Es war am 5. April 1604. In Betrachtung vertieft erwog Pater Rem die einzelnen Titel der Lauretanischen Litanei. Da überstrahlte seine Seele ein höheres Licht und in dessen Klarheit erkannte er deutlich, dass der Name „Wunderbarliche Mutter“ der seligsten Jungfrau am wohlgefälligsten sei. Diese Anrufung drücke nämlich ein Dreifaches aus. Die Hoheit Mariens, ihre mütterliche Liebe zu den Menschen und das vertrauensvolle Flehen der bedrängten Seele um Hilfe in der Not. Am Abend des darauffolgenden Tages, am 6. April 1604, als eben die Studenten die Lauretanische Litanei sangen, kniete Pater Rem, wie gewohnt, betend in einem Winkel der Kapelle. Da wurde er plötzlich, in kniender Stellung, wie er war, durch übernatürliche Kraft emporgehoben, während sein Geist in Verzückung die seligste Jungfrau in himmlischer Majestät, von blendendem Glanz umflossen, schauen durfte. Nach kurzem Zwischenraum wurde Rem wieder in seine ursprüngliche Stellung versetzt. Eben war der Gesang bei der Anrufung: „Du wunderbare Mutter“ angekommen. Da ging der Gottselige rasch auf den Vorsänger zu und befahl ihm, dieselbe Anrufung ein zweites und drittes Mal zu wiederholen. Selbst von Begeisterung ergriffen, versetzte der Sänger alle Anwesenden durch sein dreimaliges Singen desselben Titels in größte Verwunderung und Begeisterung. Von diesem Vorgang her hat das Gnadenbild, das heute noch in Ingolstadt zu Unserer Lieben Frau verehrt wird, den Namen der dreimal wunderbaren Mutter. Der glückliche Sänger und Zeuge jener merkwürdigen Begebenheit, Baron Siggenhausen, der später Kameralrat in Amberg in der Oberpfalz wurde, erzählte noch als Greis bei einem Besuch der Konviktskapelle in Ingolstadt mit inniger Ergriffenheit, was er als seligste Erinnerung an den geliebten Führer der Jugend in Sinn und Herz bewahrte.

 

Solch außerordentliche Erleuchtungen und merkwürdige Begebenheiten finden sich mehr in des Gottseligen segensreichem Leben. In übernatürlicher Erleuchtung erkannte und schaute der Ehrwürdige nicht selten den Seelenzustand seiner Kongreganisten in den entferntesten Orten, besonders im Augenblick ihres Todes. Auch mit den armen Seelen stand er in fast ununterbrochenem Verkehr. Oft konnten die ihm Nahestehenden hören, wie jene Hilfsbedürftigen sich an den frommen Priester wandten und sich seinem heiligen Opfer empfahlen. Beim heiligen Messopfer war es ja auch besonders, wo sein Herz überströmte von der Glut der Liebe. Tränen entflossen seinen Augen und es erfasste ihn eine solche Rührung, dass er oft nicht mehr weiterlesen konnte. Mehr als einmal sagten auch glaubwürdige Zeugen aus, dass sie den in Gott versenkten Diener des Allerhöchsten bei der Feier der heiligen Messe von der Erde erhoben und frei in der Luft schwebend erblickt hätten. Empfahlen sich Lebende seinem Opfer, so verspürten sie oft wunderbar dessen Wirkung.

 

Ein köstlich Leben, kostbar ob der Fülle der stillen Tugenden und der hohen Gnadenerweise, der reifen Frucht inniger Muttergottesverehrung, neigte sich einem lieblichen Abendrot zu. Am 12. Oktober 1618 schickte der treue Arbeiter im Weinberg des Herrn sich an, seine letzte nimmerendende "Unterredung", sein Colloquium mit Jesus und seiner lieben himmlischen Mutter in einem seligen Hinübergang zu feiern. Seine ehrwürdigen Überreste ruhen nun, nach mehrmaligen Erhebungen, in der Vorhalle des Kirchleins Maria vom Siege in Ingolstadt in einem Altärchen, das ehedem in der Colloquiumskapelle gestanden hat. Sein Lebenswerk aber erreichte in langen Jahrzehnten eine große Blüte. Tausende von Jünglingen aus allen Ständen, nicht zum wenigsten aus dem bayerischen Adel, erwuchsen im Schatten dieses Baumes zu charaktervollen Männern. Die Zeit der Aufklärung in der zweiten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts brachte auch das fromme Werk des Colloquiums wie so manches andere zum Erlöschen.

 

Papst Benedikt XIV. sagt über die Kongregationen: „Es ist unglaublich, welch großer Nutzen Personen aller Stände aus dieser frommen und lobwürdigen Einrichtung erwachsen ist.“